Dass die besten Ideen beim Spazierengehen entstehen, war schon für Friedrich Nietzsche klar. Ob das stimmt und ob die positiven Effekte auf eine stimulierende Umgebung oder eher auf die Bewegung zurückzuführen sind, untersuchte ein Team an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der kalifornischen Stanford University in einer vierteiligen experimentellen Studie.
Erste Experimente zum Einfluss von Bewegung
In den ersten drei Experimenten sollten die Probanden unter Verwendung des Guilford’s Alternate Uses (GAU) Test für ausgewählte, alltägliche Gegenstände möglichst viele originelle Verwendungsmöglichkeiten finden. Dabei wurde zunächst untersucht, ob sich die Ergebnisse veränderten, wenn die Personen in einem schmucklosen Raum saßen oder sich während des Tests in der gleichen Umgebung auf einem Laufband bewegten. In einem weiteren Experiment machten die Probanden einen Spaziergang im Freien. Ein direkter Vergleich wurde zwischen den beiden Bewegungssituationen wurde nicht gezogen. Dennoch geben die Versuchsanordnungen bereits erste Hinweise auf den positiven Effekt des Gehens. Sowohl die Probanden auf dem Laufband als auch diejenigen, die sich im Freien bewegten, fanden bis zu 60 % mehr sinnvolle Assoziationen als diejenigen Personen, die ihre Aufgaben im Sitzen absolvierten.
Vergleichende Studie
Im vierten Teil der Studie wurden schließlich die möglichen Einflussfaktoren in einem Experiment zusammengefasst, um so einen direkten Vergleich zwischen aktiver Bewegung in Innenräumen (Laufband) und im Freien (Spaziergang im Park) ziehen zu können. Außerdem sollte herausgefunden werden, ob der Aufenthalt in der Natur auch ohne aktive Bewegung kreativitätssteigernd wirkt. Dafür wurden die insgesamt 40 Probanden dieses Versuchs in vier Gruppen aufgeteilt. Die Teilnehmer der ersten Gruppe absolvierten ihre Aufgaben wieder im Sitzen in einem schmucklosen Innenraum. Die zweite Gruppe nutzte ein in diesem Raum aufgestelltes Laufband. Die Probanden der dritten Gruppe durften in einen Rollstuhl Platz nehmen und wurden darin durch einen Park geschoben. Dort bewegten sich auch die Testpersonen der vierten Gruppe, während sie ihre Aufgaben lösten, allerdings zu Fuß. Zur Messung der Kreativität wurde dieses Mal der Barron’s Symbolic Equivalence (BSE) Test verwendet. Er beruht auf der Bildung von Analogien und lässt somit Rückschlüsse auf komplexere Formen von Kreativität zu als der in den ersten drei Durchgängen verwendete GAU-Test.
Die Auswertung zeigte auch hier wieder: Gehen hat einen starken positiven Effekt auf die Anzahl und die Qualität der Ergebnisse, und zwar unabhängig davon, ob die aktive Bewegung im Freien oder in einem Innenraum stattfindet. Auch die Probanden, die in einem Rollstuhl durch den Park geschoben wurden, sich also nicht aktiv bewegten, aber wechselnden Eindrücken aus einer sich verändernden Umgebung ausgesetzt waren, produzierten mehr Ideen als ihre in einem kahlen Raum sitzenden Kollegen. Die Anzahl und der Neuheitsgrad der Vorschläge fielen jedoch deutlich geringer aus als bei den Teilnehmern, die sich während der Lösung ihrer Aufgaben aktiv bewegten.
Schlussfolgerungen für die Gestaltung von Büros und Bildungseinrichtungen
Übertragen auf die Gestaltung von Lern- und Arbeitsräumen heißt das, dass sie immer Platz für aktive Bewegung und Haltungswechsel vorsehen sollten. Ergänzend dazu kann man entsprechende Arbeitsschritte mit einem kurzen (gemeinsamen) Spaziergang beginnen – denn auch das hat die Studie gezeigt: Vorausgehende Bewegung wirkt noch einige Zeit nach. Weil die Studie zeigt, dass auch eine abwechslungsreiche Umgebung zu Inspiration und Wohlbefinden beiträgt, sollten beide Faktoren bei der Gestaltung von Räumen kombiniert werden.
INFORMATIONEN ZUR STUDIE
Quelle: Oppezzo, M.; Schwartz, D. L. Give Your Ideas Some Legs: The Positive Effect of Walking on Creative Thinking, veröffentlicht in Journal of Experimental Psychology: Learning, Memory, and Cognition 214, Vol. 40, No. 4, 1142–1152
Weitere Informationen zur Studie und PDF finden Sie auf der Seite der American Psychological Association.
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