Kartenschatten

Eine Analyse der Arbeitsplatzkonzepte preisgekrönter Unternehmen

Auf dem Weg zum Arbeitsplatz der Zukunft

Ein Beitrag von Dr. Katharina Radermacher und Michelle Rösener

In einer Zeit, in der die Arbeitswelt einem stetigen Wandel unterliegt, ist ein Arbeitsumfeld, das Flexibilität und Innovation fördert und talentierte Mitarbeitende bindet, entscheidend für den Erfolg eines Unternehmens. Doch wie gestalten die Vorreiter in Sachen Arbeitsplatzgestaltung ihre Räume und Modelle, um Mitarbeitende langfristig zu binden und zufriedenzustellen? Diese Frage bildet den Kern einer Studie, in der Wissenschaftlerinnen der Universität Paderborn Arbeitsplatzkonzepte von 30 Unternehmen untersucht haben, die für ihre Ansätze mit dem Best Workplace Award ausgezeichnet wurden. Durch umfangreiche Interviews mit diesen Unternehmen und eine anschließende Inhaltsanalyse haben sie die Schlüsselelemente ihrer Arbeitsplatzkonzepte herausgearbeitet. Dabei war es Ziel, nicht nur die vorherrschenden Merkmale dieser Konzepte zu identifizieren, sondern auch mögliche synergetische Kombinationen zu erkennen, die zur Schaffung einer optimalen Arbeitsumgebung beitragen.

Der Kontext

Viele Unternehmen befinden sich derzeit in einer Phase der Unsicherheit und Neuorientierung im Hinblick auf ihre Arbeitsplatzgestaltung.

Die Corona Pandemie hat zu einem radikalen Umbruch in der Art und Weise geführt, wie Arbeit organisiert wird. Das Vorkommen von remote und hybriden Arbeitsmodellen ist seit der Pandemie deutlich höher als zuvor. Ebenso zeigen Studien, dass Beschäftigte seitdem im Durchschnitt eine klare Präferenz für das Angebot flexibler Arbeitsmodelle und die Möglichkeit, zumindest einen Teil Ihrer Arbeit von zu Hause auszuführen, haben. Gleichzeitig zeigt eine Vielzahl wissenschaftlicher Studien, dass die zeitliche und räumliche Flexibilität, die mit flexiblen Arbeitsmodellen einhergeht, auch negative Effekte auf Mitarbeitende haben können, wie z. B. auf deren Workload und die soziale Integration. Durch diese komplexen Veränderungen kommt der Rolle des Büros als Arbeitsplatz eine neue Rolle zu und erfordert eine entsprechende Neugestaltung. Doch auch hier sind die Studienergebnisse im Hinblick auf die Vielzahl an Gestaltungsmöglichkeiten häufig komplex: Bezüglich offen gestalteter Layouts, beispielsweise, zeigen sich positive Effekte im Hinblick auf spontane Interaktion und Zusammenarbeit, jedoch negative Effekte in Bezug auf konzentriertes Arbeiten und die empfundene Privatsphäre.

Wie also, sollen Unternehmen ihre Arbeitsplatzkonzepte gestalten, um all diesen Entwicklungen gerecht zu werden und ihre Mitarbeitenden zu binden?

Dieser Frage haben sich Dr. Katharina Radermacher, Akademische Rätin am Lehrstuhl für Personalwirtschaft der Universität Paderborn, und Michelle Rösener im Rahmen eines Forschungsprojektes gewidmet und wollten dabei von den Besten lernen.

Sie haben sich daher die Arbeitsplatzkonzepte derjenigen Unternehmen angeschaut, die in den Jahren 2018, 2019, 2020 oder 2022 mit dem Best Workpalce Award ausgezeichnet wurden. Der Best Workplace Award wird jährlich von kununu und dem IBA verliehen. Grundlage für den Preis sind die Bewertungen, die Mitarbeitende und ehemalige Mitarbeitende ihrem Unternehmen auf kununu gegeben haben. Dabei stehen für den Best Workplace Award vor allem die Bewertung arbeitsplatzbezogener Aspekte sowie die Frage, ob die Mitarbeitenden ihren Arbeitgeber weiterempfehlen würden, im Mittelpunkt. Der Award wurde somit an Unternehmen verliehen, die von ihren Mitarbeitenden Bestnoten im Hinblick auf das Arbeitskonzept erhalten haben und eine hohe Weiterempfehlungsquote aufweisen. Daher wollten die Wissenschaftlerinnen der Universität Paderborn wissen, was genau die Arbeitsplatzkonzepte dieser Unternehmen ausmacht. 

Die Untersuchung

Um die zentralen Merkmale der Arbeitskonzepte sowie mögliche wiederkehrende Kombinationen von Merkmalen zu identifizieren, führten die Wissenschaftlerinnen halbstrukturierte Interviews mit Experten der 30 Unternehmen, in denen sie gezielt nach den Merkmalen derer Arbeitsplatzkonzepte gefragt haben (⌀ Interviewdauer: 42:20 min).

Hierbei standen zwei Dimensionen im Mittelpunkt: Die Handhabung in Bezug auf flexible Arbeitszeiten und mobiles Arbeiten sowie die Gestaltung der physischen Arbeitsumgebung vor Ort im Unternehmen.

Die Inhaltsanalyse nach Mayring bildete den methodischen Kern für die Auswertung der Interviewdaten. Diese qualitativ orientierte, kategoriengeleitete Methode verbindet die quantitative Systematik mit qualitativen Ansätzen, um die geführten Interviews sowohl im quantitativen Sinne als auch interpretativ zu analysieren. Dazu wurden die Interviews transkribiert und nach definierten Regeln codiert, um Themen, Muster und Zusammenhänge zu identifizieren. Das Hauptaugenmerk lag hierbei auf der Identifikation von Merkmalen, die das Arbeitsmodell im Hinblick auf flex-time und flex-place Optionen charakterisieren oder die Gestaltung der physischen Arbeitsumgebung beschreiben.

Von den 30 interviewten Unternehmen sind 12 als Großunternehmen (> 250 Mitarbeitende) und 18 als KMU (≤ 250 Mitarbeitende) zu kategorisieren. Hiervon gehörten 11 der IT-Branche und 6 der Beratungsbranche an, der Rest verteilte sich über diverse Branchen.

Im Anschluss an die Inhaltsanalyse untersuchten Radermacher und Rösener die Implementierungsquoten für die identifizierten Merkmale.

Sie schauten zum einen unternehmensübergreifend, wie viel Prozent der Unternehmen bestimmte Merkmale implementiert haben. Zum anderen untersuchten sie, wie viel Prozent und welche Merkmale jeweils innerhalb eines Unternehmens implementiert sind. Zusätzlich wurde analysiert, inwiefern es branchen- oder größenabhängige Unterschiede gibt und welche unterschiedlichen Zielsetzungen die Unternehmen mit verschiedenen Arbeitskonzepten verfolgen.

Die Ergebnisse

Die Hauptergebnisse der Untersuchung zeigen zunächst, dass bestimmte Merkmale für nahezu alle untersuchten Unternehmen von Bedeutung sind:

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Grossraumbüros

Fast alle Unternehmen haben Großraumbüros implementiert, wobei diese in den meisten Unternehmen durch weitere Büroformen wie Einzelbüros oder geteilte Büros ergänzt werden. Es zeigte sich jedoch auch, dass manche Unternehmen bereits vollständig auf diese Büroform setzen. Die weitverbreitete Nutzung deutet trotz zahlreicher Kritik auf ihre Relevanz in der Praxis hin. Trotz Bemängelungen bezüglich der Lautstärke schätzen Unternehmen und Mitarbeitende den Austausch und das informelle Lernen, das durch Großraumbüros gefördert wird. 

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Pflanzen im Gebäude

Die Integration von Pflanzen in Büroumgebungen ist ein weit verbreitetes Merkmal unter den Unternehmen. Auffällig ist, dass Unternehmen, die keine Pflanzen in die Büroumgebung integrieren, verstärkt geräuschabsorbierende Elemente integriert haben. Ob die Unternehmen, die aus wissenschaftlicher Perspektive umstrittene Wirkung von Pflanzen zur Schalldämpfung intendierten, bleibt allerdings offen. Untersuchungen haben zudem gezeigt, dass Pflanzen das Wohlbefinden der Mitarbeitenden steigern und Stress reduzieren können, jedoch nicht die Luftqualität verbessern.

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ERGONOMISCHES ARBEITEN
Im Hinblick auf die ergonomische Arbeitsplatzgestaltung zeigt sich, dass Unternehmen vor allem in höhenverstellbare Schreibtische investieren. Die Interviewten berichteten in diesem Zusammenhang, dass diese kostspielige Investition von den Mitarbeitenden sehr stark geschätzt wird. Auf Rang zwei in Sachen Ergonomie findet sich ergonomisches Computerzubehör. In nahezu allen Unternehmen haben Mitarbeitende die Möglichkeit, sich dieses zu bestellen. Auch wenn dieses Angebot nur in wenigen Fällen genutzt wird, berichten die Unternehmen auch hier über die positive Wirkung auf die wahrgenommene Wertschätzung seitens der Mitarbeitenden.

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RUHE- ODER SPASSELEMENTE
Unter den Ruheelementen nannten die Unternehmen insbesondere Sessel und Sofas, während es bei den Spaßelementen vorrangig Tischkicker oder Tischtennisplatten waren. Die Mehrzahl der Unternehmen hat sowohl Ruhe- als auch Spaßelemente in die Arbeitsumgebung integriert.

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MÖGLICHKEIT ZUM HOMEOFFICE
Alle Unternehmen bieten ihren Mitarbeitenden die Möglichkeit mindestens anteilig im Homeoffice oder mobil arbeiten zu können, sofern die Art der Tätigkeit dies zulässt.

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FLEXIBLE ARBEITSZEITEN
Alle Unternehmen bieten ihren Mitarbeitenden die Möglichkeit, die Arbeitszeit für private Termine zu unterbrechen. Darüber hinaus schränken die ausgezeichneten Unternehmen nur dann die Arbeitszeit ein, wenn Servicezeiten oder eine allgemeine Erreichbarkeit sichergestellt werden müssen. Doch gilt auch hier, dass über Absprachen im Team, den Mitarbeitenden zusätzliche Freiheiten eingeräumt werden können.

Neben den Fragen zum Vorhandensein bestimmter Merkmale fragten die Wissenschaftlerinnen die Unternehmen ebenfalls danach, für welche Merkmale sie regelmäßig positives oder negatives Feedback von ihren Mitarbeitenden erhalten. Es zeigt sich, dass die Bedeutung der höhenverstellbaren Schreibtische sich auch hier widerspiegelt, da diese das meistgenannte Merkmal darstellen. Ebenso werden die Möglichkeit zum mobilen Arbeiten sowie flexible Arbeitszeiten häufig genannt, wie auch die Lichtverhältnisse. Bei den im negativen Kontext genannten Aspekten fällt vor allem das Thema Lautstärke auf, welches bei fast einem Drittel der Unternehmen bemängelt wird. Hiernach folgt der Aspekt der Temperatur. Beide Aspekte sind vorwiegend in Zusammenhang mit Großraumbüros zu sehen.

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Merkmale POSITIVES Mitarbeitendenfeedback

Höhenverstellbare Schreibtische (8), Homeoffice / Mobiles Arbeiten (6), Arbeitszeiten (5), Licht (5), Ergonomischer Arbeitsplatz (4), Aufenthaltsbereiche (4), Berücksichtigung der Wünsche der Mitarbeitenden (3), Pflanzen (3), Außenbereiche (3), Kantine (3), Ergonomische Stühle (3), Großraumbüro (2), Klimaanlage (2), Feste Arbeitsplätze (2), Hardware (2), Ruhe-Elemente (2), Lautstärke (2)

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Merkmale negatives Mitarbeitendenfeedback

Lautstärke (9), Temperatur (5), Großraumbüro (3), Homeoffice (2)

Unterschiede nach Branche, Größe und Zielsetzung

Über die oben dargestellten Ergebnisse hinaus zeigte sich, dass die Arbeitsplatzkonzepte der Unternehmen nicht nur auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden ausgerichtet sind, sondern auch von den Zielen und Eigenschaften der Unternehmen selbst sowie den branchenspezifischen Anforderungen abhängen.

So lässt sich feststellen, dass Unternehmen, die vor allem eine höhere Produktivität ihrer Mitarbeitenden als Zielgröße mit ihrem Arbeitskonzept verfolgen, im Durchschnitt deutlich mehr Merkmale implementiert haben als Unternehmen mit einer anderen Zielverfolgung.

Zudem setzen diese Unternehmen stärker auf geräuschabsorbierende Elemente und verschiedene Visualisierungselemente zur Präsentation von Arbeitsergebnissen wie Whiteboards. Diese Erkenntnis unterstreicht die Bedeutung eines umfassend durchdachten Arbeitsumfelds für die Motivation und Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden. 

Unternehmen, die sich vorrangig die Steigerung des Wohlbefindens ihrer Mitarbeitenden zum Ziel gesetzt haben, weisen deutlich häufiger Tageslicht- und mehr Sozial-Elemente als andere Unternehmen auf.

Die positive Wirkung von Sozial-Elementen wie eine Lounge oder Grill ermöglichen es den Mitarbeitenden, leicht miteinander in Kontakt zu treten und in den Austausch zu kommen. Dies lässt den Schluss zu, dass das Wohlbefinden der Mitarbeitenden vor allem von dem „miteinander“ im Unternehmen abhängt. Ein weiteres Ergebnis zeigt, dass IT-Unternehmen im Vergleich zu anderen Branchen deutlich mehr Aktivitätsbereiche zum gemeinsamen Sport treiben aufweisen. Es bleibt offen, ob dies eine Reaktion auf den starken Fachkräftemangel im IT-Bereich sind und damit Talente gefunden sowie gebunden werden sollen. In Abhängigkeit von der Unternehmensgröße konnten keine Unterschiede festgestellt werden.

Implikationen

Das Forschungsprojekt zeigt, dass herausragende Unternehmen sich intensiv mit der Gestaltung ihrer Arbeitsplätze auseinandersetzen.

Alle untersuchten Unternehmen haben eine Vielzahl von Merkmalen umgesetzt, die dazu beitragen, ein optimales Arbeitsumfeld für Ihre Mitarbeitenden zu schaffen. 

Besondere Bedeutung kommt hierbei der ergonomischen Gestaltung der Arbeitsumgebung zu, die neben einem direkten Effekt auf die Gesundheit vor allem einen positiven Effekt auf die Wahrnehmung der Mitarbeitenden zu haben scheint, dass der Arbeitgeber sich um das Wohlergehen seiner Mitarbeitenden kümmert. Aus zahlreichen Studien ist bekannt, dass eine solche positive Wahrnehmung von Mitarbeiterorientierung und arbeitgeberseitiger Unterstützung vielfältige positive Effekte auf die wahrgenommene Attraktivität des Arbeitgebers hat. Weiterhin ist auffällig, dass die Möglichkeit, zumindest anteilig, zum mobilen und flexiblen Arbeiten von allen Unternehmen angeboten und auch von den Mitarbeitenden sehr geschätzt wird. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass das Großraumbüro einen wichtigen Stellenwert bei Unternehmen einnimmt und vermutlich eine Reaktion auf die steigende Flexibilisierung in der Arbeitswelt ist. Obwohl die negativen Konsequenzen, die mit Großraumbüros einhergehen, ebenfalls zahlreich in den negativen Rückmeldungen der Mitarbeitenden auftauchen, sind die Mitarbeitenden in Summe sehr zufrieden mit ihrer Arbeitsumgebung, was sich in den positiven Bewertungen aus der kununu-Befragung widerspiegelt. Daran wird deutlich, dass Unternehmen die negativen Auswirkungen von Großraumbüros offensichtlich ausgleichen können, indem sie in andere Merkmale investieren, die den Mitarbeitenden einen Ausgleich ermöglichen und entsprechende Wertschätzung vermitteln.

Die Ergebnisse zeigen daher, dass Unternehmen sich intensiv mit der Gestaltung ihrer Arbeitsumgebung auseinandersetzen und die Wirkung einzelner Merkmale gut durchdenken sollten. Die untersuchten Unternehmen zeigen jedoch auch auf, dass die Implementierung einer Vielzahl von Merkmalen notwendig ist, um in Summe ein inspirierende und produktive Arbeitsumgebung zu schaffen, in der sich Mitarbeitende wohlfühlen und entsprechend an ihren Arbeitgeber binden.

Die AUTORINNEN

Dr. Katharina Radermacher, Akademische Rätin, Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, Professur für Personalwirtschaft

Michelle Rösener, Masterstudentin, Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, Professur für Personalwirtschaft

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Titelbild dieses Beitrags: istock/ilze79 Bild-Nr. 1227105193