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Veränderungsprozess DC&I: Wie kann es gelingen? Interview mit Sabine Gromer

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IBA Forum: Sabine Bromer (Foto: Antje Wolm)
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Diversität, Chancengleichheit und Inklusion (DC&I) werden für Arbeitnehmende immer wichtiger – das zeigen alle Befragungen zu den Erwartungen und zur Zufriedenheit von Beschäftigten. Damit wird es aber auch für Unternehmen immer bedeutsamer, die eigene Organisation auf den Prüfstand zu stellen und sicherzustellen, dass notwendige Veränderungsprozesse nicht im Sande verlaufen. Worum es dabei genau geht und wie es gelingen kann, hat die IBA Forum Redaktion Sabine Gromer gefragt, Veränderungsexpertin und Gründerin des Coaching- und Beratungsunternehmens MagnoliaTree.

Frau Gromer, immer häufiger ist im Zusammenhang von Diversity das Kürzel „DC&I“ zu lesen. Was ist damit gemeint?

 

Das D steht für Diversity, also Diversität oder Vielfalt. Das bedeutet, dass es in einem Unternehmen verschiedene Gruppen mit unterschiedlichem soziokulturellem Hintergrund gibt. Und das ist auch der Bereich, in dem die meisten Studien belegen, dass Diversity vorteilhaft ist, und zeigen, warum vielfältige Teams oft besser performen. Das C steht für Chancengleichheit, auf Englisch Equity. Dabei geht es darum, dass alle Teammitglieder, unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu verschiedenen Gruppen, gleichbehandelt werden und dieselben Möglichkeiten haben. Chancengleichheit hat viel mit strukturellen Gegebenheiten zu tun: Gibt es Limitierungen, gibt es Grenzen, die wir aufweichen oder sogar ganz aus dem Weg räumen müssen? Echte Chancengleichheit zu erreichen, ist aus meiner Sicht das am schwersten zu erreichende Ziel von DC&I, weil es hier nicht nur darum geht, bestimmten Menschen den Weg zu ebnen, sondern auch darum, bestimmte Privilegien abzubauen. Der Weg ist hier also oft das Ziel. Das I steht für Inklusion, die sogenannte Zugehörigkeit. Hier wird versucht, Ausgrenzungen im Arbeitsumfeld zu vermeiden, indem sich alle Mitarbeitenden willkommen fühlen und in ihrer Identität gesehen werden, sodass sie Teile von sich zeigen können, die sie aktiv leben, aber vielleicht früher oder vielleicht auch heute noch in einem beruflichen Kontext versteckt haben. Inklusion ist, wenn ich ich selbst sein kann.

Zitat Symbol

„Beim DC&I gilt es, die eigene Intuition zu schärfen und auch auf die Töne dazwischen zu achten.“ Sabine Gromer

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Es ist wichtig, bereits vor der Umsetzung von DC&I‑Maßnahmen Bewusstsein für die dahinterstehenden Themen zu schaffen. Zunächst gilt es, sich damit auseinandersetzen, was DC&I bedeutet. Was ist gemeint und was nicht? Ich empfehle, im ersten Schritt solche Maßnahmen zu wählen, die wesentlich mit der Ausrichtung des Unternehmens zu tun haben und in solchen Bereichen, in denen es schon Gegenwind und Veränderungsdruck gibt. Als Beratungshaus kann es geschäftsschädigend sein, mit rein männlichen Teams in eine Pitch-Situation zu gehen – viele potentielle Kunden haben sich den 17 SDGs (Sustainable Development Goals) der UN verpflichtet und wählen Dienstleister auch nach DC&I‑Gesichtspunkten aus. Viele Unternehmen spüren derzeit, dass sie als Arbeitgeber nicht mehr attraktiv sind. Hier muss an mehreren Stellen angesetzt werden. Zum einen bei der Darstellung der Arbeitgebermarke, vor allem aber bei der Frage, wie Unternehmen Talente akquirieren. Es braucht chancengleiche Rekrutierungsprozesse, diverseres Denken und die Überlegung, wie in organisationalen Systemen analysiert und bewertet wird, um mögliche kognitive Verzerrungen, sogenannte Bias, zu vermeiden. Meiner Meinung nach kommen Unternehmen nicht mehr um Quotenpersonen herum. Es braucht eine gewisse Repräsentanz und Durchschlagskraft von unterrepräsentierten Personen und Gruppen, die es sonst in einem Unternehmen kaum gibt. Bei den Maßnahmen sollte man dann aber genau hinschauen, wie ernsthaft die Ziele sind. Denn auch da gibt es Pinkwashing.

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Warum scheitern Veränderungsprozesse so oft?

 

Der erste große Faktor liegt in den Bereichen, in denen der Wandel eingeleitet wird. In den meisten Veränderungsprozessen versucht man, Change in dem Teil der Organisation anzustoßen, der sowieso bereits die meisten Privilegien hat, weil man glaubt, wenn sich der einflussreichste Bereich ändert, ändert sich das ganze System. Aber warum sollte man sich verändern wollen, wenn es einem gutgeht? Die Veränderung sollte daher in Bereichen beginnen, die sich nicht gehört oder gesehen fühlen, aber idealerweise mit allen anderen teilnehmenden Systemen in Kontakt stehen. Es muss Konfusion herrschen: Warum bekommen die das jetzt und wir nicht? Der zweite Faktor ist, dass wir uns oft nicht mit der wichtigsten Kraft auseinandersetzen, die Veränderungserfolge zunichtemacht, der Homöostase, also der Tendenz von Organismen und Systemen, einen ausgeglichenen und konstanten Zustand aufrechtzuerhalten. Sehr schön lässt sich das mithilfe eines Mobiles veranschaulichen: Ein Mobile kann ich so stark anstoßen, wie ich will. Irgendwann kehrt es immer wieder in seine Ausgangsposition zurück. Um diese Kraft zu überwinden, braucht es ganz bestimmte Strategien. Der dritte Faktor ist, dass wir zu wenig langfristig denken. Vorstandsperioden dauern drei bis fünf Jahre, man sollte aber in Schritten von mindestens sechs bis neun Jahren denken, wenn man wirklich etwas verändern will. Meistens ist der Change da aber schon wieder überholt. Viel gesünder als ständiger Wandel wäre eine Art Evolution.

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Mit den alten, traditionellen Führungsmodellen kann ich heute keine Mitarbeitenden mehr gewinnen. Je mehr ich mich gesehen und gehört fühle und je stärker mein persönlicher Beitrag ist, desto loyaler bin ich dem System gegenüber. Mitarbeitende wollen sich wertgeschätzt fühlen. Außerdem braucht es Räume, die zum Dialog und zum Miteinander anregen. Räume, in denen man sich trifft und in denen man gemeinsam kreiert, sind wichtig für Zugehörigkeit und Bindung. Aus den Räumen lassen sich sehr schnell Rückschlüsse auf die Kultur eines Unternehmens ziehen.

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Wesentlich für Führungskräfte ist es, über Self-Awareness und innere Autarkie zu verfügen. Das macht weniger abhängig vom Lob anderer. Außerdem sollten Führungskräfte Gruppendynamiken verstehen und entsprechend handeln können. Um zu verstehen, wie echte menschliche Bindung funktioniert, sollten Führungskräfte drei Fragen über die Menschen, die sie führen, beantworten können: Was motiviert die Person? Wie lernt die Person, welche Umgebung braucht sie zum Lernen? Wie will sie von mir geführt werden? Je mehr ich mich für die Person interessiere und gleichzeitig ein Umfeld schaffe, in dem ich auch fordere, in dem ich auf Augenhöhe gebe und nehme, desto mehr entsteht eine Win-win-Situation. Führungskräfte, die in Präsenz durchschnittlich waren, reichen in Zeiten von Hybrid Work nicht mehr aus. Führungskräfte, die in Präsenz gute Führungskräfte waren, schaffen es auch jetzt, ihre Teams zusammenzuhalten. Führungskräfte, die vorher schlechte Führungskräfte waren, werden es auf Dauer nicht schaffen, Führung im virtuellen Raum umzusetzen. Denn der virtuelle Raum ist für mich wie eine Lupe. Er macht vieles sichtbar, was vorher nicht funktioniert hat.

Frau Gromer, vielen Dank für das Interview.

Sabine Gromer ist Leadership Coach, Transformationsbegleiterin, Expertin für Veränderungsprozesse und Gründerin des Coaching- und Beratungsunternehmens MagnoliaTree. Zuvor war sie viele Jahre im Bankwesen und im Rating tätig. Weitere Informationen unter: https://magnoliatree.org/.

Titelbild: Sabine Gromer (Foto: Antje Wolm)