Teil 2 des IBA Forum Interviews mit Dr. Eva Elisa Schneider zu Mental Health, gesunder Führung und Arbeitskultur. Es geht darin u.a. um „gesunde“ Arbeitskultur, die Frage der Arbeitsplatzgestaltung und die Relevanz des Themas Mental Health für Personalverantwortliche.
Was wünschen sich Beschäftigte in Bezug auf Mental Health und Work-Life-Balance derzeit am meisten von ihrem Arbeitgeber?
Ich denke, an erster Stelle steht eine gesundheitsbewusste Führung. Dass es im Team und bei den Vorgesetzten einen klaren Fokus auf Gesundheit gibt. Das Nächste ist eine angemessene Arbeitsbelastung. Oft wird auf Kante genäht und dann entsteht Stress. Die Aufgaben müssen zudem so gestaltet sein, dass man sie mit den eigenen Kompetenzen gut bewältigen kann. Der letzte Punkt ist für mich eine offene und fürsorgliche Kultur. Die Menschen mit ihren Themen nicht allein zu lassen und eine offene Kommunikation zu etablieren, in der man alles ansprechen kann. Am Thema dranzubleiben. Laut zu sein, Gesundheit einzufordern, Mental Health insgesamt sichtbar zu machen. Immer wieder die Stimme zu erheben, um die Relevanz zu verdeutlichen und den Wandel hin zu einer an Gesundheit orientierten Organisation schneller in Gang zu bringen.
Wie lässt sich eine gesunde Arbeitskultur gestalten?
Eine gesunde Arbeitskultur basiert auf zwei Säulen: der Verhaltens- und der Verhältnisprävention. Bei der ersten Säule geht es darum, gesundheitsförderliches Verhalten zu fördern und zu unterstützen. Dies kann durch Maßnahmen in den Bereichen Ernährung, Ergonomie, mentale und psychische Gesundheit geschehen. Bei der zweiten Säule geht es um Führungsstil, Unternehmenswerte, Strategie etc. Also um die Frage: Wie tragen die Rahmenbedingungen dazu bei, dass Mitarbeiter gesund arbeiten können? Die Klammer dafür ist die Kommunikation. In Organisationen darüber zu sprechen, dass es etwas Positives ist, pünktlich Feierabend zu machen, auf seine innere Balance zu achten, notwendige Grenzen zu setzen. Und dort, wo das Selbstmanagement versagt, gesundheitserhaltende Maßnahmen über die Organisation einzuleiten.
Welche Tipps kannst du Personalverantwortlichen geben, um Mental Health im beruflichen Kontext zu thematisieren?
Der erste Schritt ist immer zu schauen: Was haben wir schon, was ist schon da? Manchmal gibt es in Unternehmen bereits Angebote, aber niemand kennt sie. Das heißt, das, was schon da ist, sichtbarer zu machen und die Mitarbeiter im Rahmen einer transparenten Kommunikation mitzunehmen. Im nächsten Schritt zu schauen, wie geht es meinen Mitarbeitern und was brauchen sie? Warum nicht das Thema Gesundheit in regelmäßige Befragungen einbeziehen? Wichtig ist auch, das Management mit ins Boot zu holen. Gesundheit sollte von der Hierarchie getragen und priorisiert werden. Es ist ein Zukunftsthema, an dem wir nicht mehr vorbeikommen. Leider unterschätzen viele Unternehmen immer noch, wie selbstverständlich Gesundheit eine Anforderung an einen attraktiven Arbeitgeber sein wird und wie schnell wir jetzt eigentlich handeln müssen, damit das auch ehrlich und nachhaltig in die Kultur und Strategie eingestrickt wird.
Wie müssen Arbeitsplätze gestaltet sein, damit sich Menschen wohlfühlen und produktiv arbeiten können?
Da Gesundheit etwas sehr Individuelles ist, steht für mich die Flexibilität, den Arbeitstag nach den eigenen Bedürfnissen gestalten zu können, an erster Stelle. Dazu braucht es unterschiedliche Arbeitsplatzangebote, die auf die Persönlichkeitsmerkmale verschiedener Personengruppen eingehen. Ein weiterer Aspekt ist die stressarme Gestaltung der Arbeitsplätze. Dazu gehört ein gutes Workload- und Energiemanagement, denn Stress ist letztlich das, was gesunde Routinen tötet. Und neben den physischen Aspekten braucht es ein wertschätzendes Umfeld. Wir alle wünschen uns Anerkennung und Wertschätzung für das, was wir am Arbeitsplatz leisten. Erst recht, wenn wir mehr geben, als wir eigentlich leisten können.
Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Was tust du in deinem Arbeitsalltag für deine mentale Gesundheit?
Was ich sehr konsequent mache, ist, nicht abends oder am Wochenende zu arbeiten. Weil das für mich einfach ein Killer für meinen Schlaf und mein Wohlbefinden ist. Also konsequente Arbeits- und Nicht-Arbeitszeiten zu haben. Das Zweite ist, dass ich darauf achte, dass ich viel Sport mache und mich bewege. Der körperliche Ausgleich ist bei meiner eher kopflastigen Arbeit sehr wichtig. Das Dritte ist für mich die Kommunikation. Regelmäßig mit anderen Menschen zu sprechen, nicht das Gefühl zu haben, mit meinen Themen allein zu sein. Das können rein private Themen sein, aber auch berufliche. Sich verletzlich zu zeigen und den Rat und die Hilfe anderer zu suchen, hält mich persönlich im Berufsalltag im Gleichgewicht.
Eva, vielen Dank für das Gespräch.