Welche Trends aus dem Bildungsbereich lassen sich auf die Arbeitswelt übertragen? Die IBA Forum Redaktion sprach mit Philipp Müller, Geschäftsführer der VS Vereinigte Spezialmöbelfabriken GmbH & Co. KG, über die pädagogische Dimension von Architektur und Ästhetik.
Welche Einrichtungstrends gibt es bei Schulen und Bildungseinrichtungen und was können Unternehmen davon lernen?
Die Schule war schon immer eine Art Mikrokosmos, der sich auf die Gesellschaft als Ganze und damit auch auf die Arbeitswelt übertragen lässt. Aktuell hält der Trend zur Flexibilisierung Einzug in die Schulen. Frontalunterricht wird zunehmend durch andere pädagogische Methoden ergänzt. Neben jahrgangs‑, gruppen- und klassenübergreifendem Lernen ist der Ausbau von Ganztagsschulen ein wichtiges Thema. Makerspaces gibt es inzwischen auch in der Schule. Dabei spiegelt sich die Flexibilisierung zunehmend auch in Räumen und ihrer Möblierung wider. Wobei sich Räume nicht ganz so schnell anpassen lassen, über die Einrichtung geht das leichter. Vieles davon und besonders den Trend zur Flexibilisierung beobachten wir auch in der Bürowelt. New Work – viele sprechen auch schon von New Learning – erfordert viel mehr Flexibilität in der Raumgestaltung und ‑ausstattung.
Das Konzept des lebenslangen Lernens gilt auch für die Arbeitswelt. Wie sieht ein Büro aus, das Lust aufs Lernen macht?
Im Alltag und im Beruf gibt es immer wieder neue Anforderungen, die lebenslanges Lernen nötig machen. Arbeit ist die Konfrontation mit neuen Problemen, für deren Lösung man sich Werkzeuge oder Fähigkeiten aneignen muss. Deshalb erfordert New Work – oder New Learning – auch ein hohes Maß an Flexibilität in der Raumgestaltung und ‑ausstattung. Dabei halte ich es mit einem der Grundsätze der Architektur: Design sollte sich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren, in diesem Fall den Bedürfnissen der Mitarbeiter. Es mag Aufgaben geben, die sich am besten in konzentrierter Einzelarbeit erledigen lassen. Es gibt Aufgaben, die am besten im interdisziplinären Team gelöst werden. Und dann gibt es Aufgaben, bei denen man weder auf die eine noch auf die andere Weise weiterkommt. Hier unterstützt das Büro als Ort der Begegnung und des Austauschs. An der Kaffeemaschine Kollegen aus anderen Bereichen zu treffen, war schon oft der Schlüssel zur Problemlösung.
„Die Hauptaufgabe des Büros ist es, eine Umgebung zu schaffen, die auf die Bedürfnisse der Menschen eingeht und diese sind eben extrem vielfältig.“ Philipp Müller, VS Vereinigte Spezialmöbelfabriken GmbH & Co. KG
Welche Räume fördern Kreativität, Leistungsbereitschaft und Wohlbefinden gleichermaßen?
Selten kann ein Raum oder eine Einrichtungsform alle Bedürfnisse abdecken. Deshalb bieten moderne Arbeitswelten Räume und Möbel für alle möglichen Anwendungen: für lockeren Austausch, für konzentrierte Einzelarbeit, für Gruppenarbeit. All das muss eine moderne Bürofläche heute möglich machen.
Erkennen Unternehmen die Notwendigkeit der Umgestaltung ihrer Büros zu echten Begegnungs- und Lernorten?
Spätestens dann, wenn es darum geht, Mitarbeiter zu rekrutieren, wenn es darum geht, bestehende Mitarbeiter zu halten und auf bestehende Anforderungen und Bedürfnisse einzugehen, spätestens dann beschäftigen sich Unternehmen mit genau diesen Fragen. Nämlich wie kann ich eine Umgebung schaffen, die lebenslanges Lernen, die New Work oder auch New Learning ermöglicht? Das manifestiert sich dann sehr stark im Raumkonzept und in den Möbeln.
Lernen und Lernumgebung sind also eng miteinander verbunden. Wie müssen Räume gestaltet sein, damit sich Einzelne und Teams entfalten können?
Hier muss nach Aufgaben und Abteilungen unterschieden werden. Ein Team Buchhaltung hat ganz andere Bedürfnisse als die Produktentwicklung oder die Marketingabteilung. Es gilt folglich immer, genau die Umgebung zu schaffen, die das jeweilige Team benötigt – mit der entsprechenden Flexibilität. Die Ausstattung sollte dabei immer wertig sein. Raum wirkt! Und damit Menschen sich entfalten können, müssen sie sich willkommen und wertgeschätzt fühlen. Die Auseinandersetzung mit Gestaltung und Ästhetik ist daher immer notwendig und lohnend.
„Dass lebenslanges Lernen absolut notwendig ist, ist inzwischen unbestritten. Daher muss das Lernen auch im Büro seinen Platz haben. Das ist ein menschliches Bedürfnis, das von Architektur und Raumgestaltung aufgegriffen werden muss.“ Philipp Müller, VS Vereinigte Spezialmöbelfabriken GmbH & Co. KG
Nicht nur die Rolle des Lehrers verändert sich. Auch Führungskräfte nehmen eine neue Rolle in der Arbeitswelt ein. Inwieweit kann eine veränderte Raumgestaltung Führungskräfte in ihrer neuen Rolle unterstützen?
In der Schule spricht man immer öfter vom Lernbegleiter, von einer pädagogisch geschulten Person, die Schüler anleitet, sie auf ihrem Weg begleitet, sich Wissen selbst anzueignen. Das lässt sich fast eins zu eins auf die Arbeitswelt übertragen. Führungskräfte sind heute viel mehr Coaches, die ihre Mitarbeiter dabei unterstützen, sich inhaltlich und persönlich weiterzuentwickeln, um die anstehenden Aufgaben und Probleme bewältigen zu können. Es geht darum, Mitarbeiter zu befähigen und zu begleiten. Bezogen auf den Arbeitsplatz kann das auch bedeuten, dass die Führungskraft eine gewisse Vorbildfunktion hat, wie sie ihren Arbeitsplatz gestaltet, wie sie kommuniziert, wie sie mit Problemen umgeht. Jede Führungskraft hat eine Wirkung, auch wie sie sich räumlich im Team positioniert.
In der VS-Techniksparte kümmern Sie sich um die Integration von Technik in Schulen und Unternehmen. Welche Rolle spielt das Digitale in der Bildung?
Ähnlich wie in den Unternehmen wird Digitales aus dem Bildungsbereich nicht mehr wegzudenken sein. Wichtig ist, Technik nicht nur um der Technik willen einzusetzen, sondern so, dass sie einen echten Mehrwert bietet. Dabei spielt es keine Rolle, ob Lernen und Zusammenarbeit in einem gemeinsamen physischen Raum oder in unterschiedlichen Räumen stattfindet. Digitale Technik kann die Interaktion in einem physischen Raum, aber auch über physische Distanz hinweg ermöglichen.
Herr Müller, vielen Dank für das Interview.
VS Vereinigte Spezialmöbelfabriken GmbH & Co. KG iist ein international agierender, führender Schulmöbelhersteller mit Sitz in Tauberbischofsheim. Auch als Büro- und Objekteinrichter ist das in vierter Generation familiengeführte Unternehmen erfolgreich.
Seit 1898 Jahren entwickelt, produziert und vertreibt VS Möbel und Medienausstattungen für die Wissensgesellschaft: für Schulen und Hochschulen, Verwaltungen und Ministerien, Unternehmen und Konzerne. Mehr Informationen unter https://www.vs.de/de/.
Titelbild: ©VS Vereinigte Spezialmöbelfabriken GmbH & Co. KG