In einer sich verändernden Arbeitswelt sind neue Konzepte und Strategien nötig, um nachhaltige Innovationen zu schaffen. Ein Gespräch der IBA Forum Redaktion mit Rinku Sharma, Gründer von techeroes und Experte im Bereich digitale Bildung und Innovation.
Neue Technologien und fortschreitende Digitalisierung beeinflussen in immer stärkerem Maße die Arbeitswelt. Da technisches Wissen auch für zukünftige Berufe immer wichtiger wird, ist ein digitales Mindset unumgänglich. Was umfasst dieses und wie lässt es sich in Organisationen implementieren?
Digitales Mindset ist für mich mehr als die Fähigkeit, Programme bedienen zu können und Tools zu beherrschen. Digitales Mindset basiert auf zwei Säulen. Zum einen gehört dazu die Flexibilität, je nach Aufgabenstellung hierfür passende Tools zu nutzen. Dafür ist eine offene Geisteshaltung nötig und die Bereitschaft, verschiedene Dinge auszuprobieren. Für ein digitales Mindset ist es aber auch wichtig, sich damit abzufinden, dass jede Lösung ihre Pros und Cons hat. Sprich: Nicht immer auf eine einzige Lösung zu setzen. Und auch dann, wenn man sich konkret für eine Lösung entschieden hat, immer wieder einen Cross-Check zu machen. Offen zu sein für unterschiedliche Tools und bereit zu sein, kritische Fragen zu stellen: Das ist meine Definition von Digital Mindset. Diese Art von Arbeitshaltung gilt es in Unternehmen zu implementieren – und nicht starr an einmal definierten Strukturen festzuhalten.
Inwiefern hat digitales Lernen das Zeug dazu, organisationales Upskilling zu unterstützen?
Digitale Lernräume haben ihre Daseinsberechtigung und werden in Zukunft noch relevanter werden. Für mich steht es außer Frage, dass Unternehmen digitale Lernformate als festen Bestandteil organisationalen Upskillings etablieren. Sie bieten unter anderem den Vorteil maßgeschneiderter, bedürfnisorientierter Lernangebote (taylored and customized content), die sich individuell, zur passenden Zeit und im eigenen Tempo abrufen lassen. Mal ganz vom Kostenfaktor abgesehen. Die große Herausforderung wird dabei aber sein, den Nutzern eine ansprechende Lernerfahrung zu bieten. Denn gerade die User Experience ist das, was bei der Wissensvermittlung wichtig ist, und was richtiges Lernen fördert.
Welche Rolle werden digitale Lernformate künftig im Bereich beruflicher Weiterbildung spielen?
Jedes Lernformat hat Vor- und Nachteile. Es gibt digitale Lernräume, die sehr gut fachliche Skills vermitteln. So können angehende Chirurgen in digitalen Lernräumen Schritt für Schritt komplizierte Operationsverfahren erlernen, ohne bereits live operieren zu müssen. So gut digitale Lernformate aber sein mögen, es braucht immer noch den zwischenmenschlichen Austausch, das Hybride, auch als Rückkopplung oder als Feedbackschleife. Digitales Lernen wird die menschliche Interaktion nicht ersetzen können. Digitales und analoges Lernen sind für mich kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch. Gerade auch bei der beruflichen Weiterbildung.
Welche Bedeutung hat das Lernen in Form von gegenseitigem „Abschauen“? Und ist es dafür hilfreich oder gar erforderlich, gemeinsame Präsenzzeit an einem physischen Ort zu verbringen?
Das Lernen voneinander und das gegenseitige „Abschauen“ macht Menschen aus und kann Arbeit durchaus positiv beeinflussen. Andere Perspektiven einzunehmen und zu erfahren, wie Kollegen mit Problemen oder Fragestellungen umgehen, ist für mich einer der größten Mehrwerte gemeinsamer Zeit an einem physischen, oder auch an einem anderen — vielleicht sogar digitalen – Ort. Es liegt in der menschlichen DNA, voneinander (Kultur-)Techniken abzuschauen, zu verfeinern und diese an aktuelle Bedarfe anzupassen. Das hat es immer schon gegeben und wird auch in Zukunft so sein. Wir brauchen hierfür aber ein Angebot an erlebnisorientierteren Räumen. Arbeitsraum wird sich zu einer Erlebniswelt transformieren. Weg vom klassischen Büroarbeitsplatz hin zu neuen Konzepten: zum Beispiel nachhaltige Zero-Waste-Büros, moderne Lernlabore oder spacige Metaverse-Offices, in denen es sich gemeinsam arbeiten und voneinander lernen lässt.
Produkte, Geschäftsmodelle und Arbeitsroutinen, die gestern noch funktioniert haben, werden immer schneller in Frage gestellt. Es braucht in Unternehmen umso mehr Innovationen, um auf dem Markt bestehen zu können. Welche Räume können das geeignete Umfeld für Innovationen schaffen?
Auch hier kommen wieder die Erlebnisräume ins Spiel. Es braucht Räume, in denen sich Menschen ausprobieren können, die Experimente und Kreativität zulassen und in denen man seinen Gedanken freien Lauf lassen kann. Und es braucht mehr Projekträume, in denen sich Teams tiefer mit speziellen Themen befassen können. Wir veranstalten im Rahmen des Projekts „Schule der Zukunft“ regelmäßig Ideathons und Hackathons und haben hier schon unglaublich tolle Ideen und Konzepte generieren können. Auch im Bereich der Büro- und Arbeitswelt sollten diese Formate mehr Anwendung finden. Die eigenen Mitarbeiter haben oft die kreativsten Ideen, wie ein optimales Umfeld aussehen kann.
Wie sollte eine innovationsfreudige Unternehmenskultur gestaltet werden, damit sie Mitarbeiter motiviert, sich und ihre Arbeit stetig neu zu erfinden und sich kontinuierlich zu verbessern?
Für mich braucht es in der Unternehmenskultur die drei Aspekte Wettbewerb, Diversität und Mindset. Beste Ergebnisse benötigen eine Prise gesunden Wettbewerbs, der motiviert, out-of-the-box und zukunftsgerichtet zu denken. Innovation benötigt aber auch Diversität im Hinblick auf Erfahrung, Stärken, Interessen und Know-how. Und natürlich braucht es in einer Organisation Veränderungsbereitschaft und ein gewisses Mindset, um offen für Neues und die aktive Gestaltung einer erfolgreichen Zukunft zu sein.
Rinku, vielen Dank für das Gespräch.