Künstliche Intelligenz hält Einzug in die Arbeitswelt. Corporate Learning stellt das vor neue Aufgaben und auch das Bürodesign muss sich mit dem Aspekt des Lernraums auseinandersetzen. Ein Interview mit Dr. Felix Dibelka, Experte für betriebliches Lernen.
Im IBA Kurzfilm „Arbeitswelt der Zukunft 3“, den du gemeinsam mit Trendexpertin Birgit Gebhardt produziert hast, dreht sich alles um das Büro als Lern- und Kommunikationsort. Wohin geht der Trend beim betrieblichen Lernen?
In Zukunft wird – noch mehr als heute – gelten: Arbeit ist Lernen und lernen ist arbeiten. Das bedeutet, dass neue Lernformate entwickelt und Orte als physische Learning Spaces entworfen werden müssen. Zum anderen wird Lernen viel stärker selbst organisiert sein, informeller. Das erfordert eine neue Struktur: weg von Top-down-Prozessen hin zu einem Strauß an Instrumenten, die Unternehmen zur Verfügung stellen und dafür auch entsprechende Räume schaffen. Dazu bedarf es einer Lernkultur, in der Lernen auf allen Ebenen selbstbestimmt und aus eigener Motivation ausdrücklich gewünscht ist und alle Zugang zu Wissen haben. Es geht darum, ein offenes und kollaboratives Lernumfeld zu schaffen. Die digitale Transformation und Tools wie Chatbots und ChatGPT unterstützen dies.
Wie wird sich die Art der Wissensvermittlung im beruflichen Kontext verändern und welche Rolle nehmen künftig spielerische Elemente ein?
Es werden neue Key Player entstehen, die das schnelle Onboarding und Lernen ermöglichen: Content Curators bewerten, teilen und kontextualisieren Wissen, Collaboration Tool Masters unterstützen bei der Nutzung von neuen Tools und Methoden, Coaches helfen bei der persönlichen Entwicklung, Botschafter führen Neues ein usw. Ich denke, dass auch spielerische Elemente viel stärker eingesetzt werden, sowohl online als auch offline. Das spiegelt sich dann in den Räumen und im Miteinander wider, beides wird weniger streng und weniger hierarchisch sein. Die Verantwortung für das Lehren und Lernen liegt dann nicht mehr allein beim Unternehmen, sondern bei den Mitarbeitern selbst: Sie müssen verstehen, dass es sich lohnt, sich weiterzubilden, gleichzeitig müssen Unternehmen umdenken und erkennen, wie sie ihre Mitarbeiter dabei mit unterschiedlichen Lernformaten unterstützen können. Womit wir schon seit über zehn Jahren erfolgreich arbeiten, ist das sogenannte Microlearning. Dabei werden Inhalte in kurze Einheiten, Wissen-Nuggets, verpackt, die ein Thema beleuchten und dann in die Tiefe gehen. Bewährt hat sich auch Content-Design: mit der Brille des Nutzers relevantes Wissen identifizieren, zeitgemäß aufbereiten und in unterschiedlichen Formaten zur Verfügung stellen.
Welche neuen Themen siehst du im Bereich des Führungskräfte-Lernens?
Wissen zu teilen, Lehren und Lernen zu ermöglichen und zu fördern wird eine Leadership-Kompetenz werden: Wie kann ich die Weitergabe von Wissen fördern und On- und Offboarding effektiv managen? Distributed Authority – also die Aufteilung von Führung auf Mitarbeiter und flache Hierarchien – erfordert die konstante Weiterbildung von Social Skills. Wir werden uns noch mehr mit Distance Leadership auseinandersetzen, also dem Führen hybrider Teams. Diversität wird zukünftig ein starker Wettbewerbsvorteil sein. Damit werden wir unterschiedliche Werte und kreatives Potenzial unterschiedlicher Kulturen nutzen können: Themen wie Cohesive Leadership rücken damit in den Vordergrund. Aber auch der Purpose – das Anliegen – eines Unternehmens wird wichtiger, um die Generationen Y, Z und Alpha mitzunehmen. Schließlich stehen wir vor der Aufgabe, wissenschaftliche Erkenntnisse, die sich beispielsweise in Trends wie Positive Leadership zusammenfassen, praktisch umzusetzen. Diese neuen Arbeitsstrukturen setzen neue Themen auf die Agenda, die neben digitaler Kompetenz vor allem auch soziale Kompetenz bedingt.
Wie wird künstliche Intelligenz das Lernen verändern?
Man muss stark zwischen Lehren und Lernen unterscheiden. KI wird immense Vorteile für die Aufbereitung, Kontextualisierung und Lieferung von relevantem Wissen haben und damit einen disruptiven Charakter. Ich denke aber nicht, dass eine KI das Lernen, also die Art und Weise, wie wir uns weiterentwickeln, so sehr verändern wird. Wissen wird sicher schneller, kontextualisierter und dadurch relevanter zur Verfügung stehen. Wir werden auch schneller an Informationen kommen. Weil ich sie zum Beispiel auf meiner Uhr oder in jedem physischen Learning Space habe. Ich werde mich in mein virtuelles Unternehmen begeben können, um dort Dinge zu erfahren und auszuprobieren, die ich in der Realität umsetzen möchte. Es wird einfacher werden, Inhalte zu erstellen und Content automatisiert zur Verfügung zu stellen. Ich glaube, dass Programme wie ChatGPT dafür sorgen werden, dass wir wieder mehr in die Grundausbildung investieren. Denn nur wenn ich selbst etwas weiß, kann ich einordnen, ob Informationen, die ich bekomme, richtig oder sinnvoll sind. KI wird unsere Kompetenz stärken, Fake News von echten News unterscheiden zu können. Sie wird auch dafür sorgen, dass wir unsere zutiefst humanen Kompetenzen wieder stärker einsetzen: Neugier, Motivation, Kreativität und Irrationalität.
Brauchen wir dafür nicht andere Räume?
Ich glaube, dass Arbeitsplätze viel attraktiver werden und sich zu Orten des Diskurses und des Austausches entwickeln müssen. Dazu brauchen wir künftig offene Flächen genauso wie Rückzugsräume und Orte für konzentriertes Arbeiten sowie Räume, in denen im Austausch Neues entstehen kann. Es gilt, Räume insgesamt offener und kommunikativer zu gestalten, damit Wissen im Unternehmen selbst generiert werden kann und Lernen tatsächlich stärker selbst organisiert und selbst gesteuert ist.
„Modernes Workplace Learning bedeutet, dass die Grenzen zwischen Lernen und Arbeiten verwischen. Ein persönlicher Arbeitsplatz bietet immer auch die Möglichkeit, sich weiterzubilden.“ Dr. Felix Dibelka
Felix, vielen Dank für das Gespräch.