Jan Hendrik Karsch ist Vertreter der Generation Y. Trotz seines jungen Alters sah der Geschäftsführer des Büromöbelherstellers WINI schon so einige Trends in der Bürowelt kommen und gehen. Nachfolgend erläutert er die für ihn relevanten Treiber künftiger Veränderungen und plädiert für eine Neudefinition des Begriffs Büro.
Gegenwärtig sind etliche Trends erkennbar, die die Arbeitswelt beeinflussen. Aber ihre weitere Ausprägung muss nicht zwangsläufig linear verlaufen. Zudem können nicht vorhersehbare Ereignisse und Entwicklungen eintreten, die der Arbeitswelt eine ganz andere Richtung geben.
Die in meinen Augen relevantesten Treiber für künftige Veränderungen der Bürowelt sind:
- Demografie
- Digitalisierung
- Nachhaltigkeit
Weitere Treiber kommen je nach eigener Lage und Betrachtungswinkel hinzu – eventuell auch solche, die wir derzeit nicht erahnen können.
Demografie
Viele der Babyboomer nähern sich dem Rentenalter. Die Folge: Der Nachschub qualifizierter Arbeitskräfte ist bedroht, seit Jahren wächst der Fachkräftemangel. Arbeitgeber können nicht mehr aus einem Bewerber-Pool ihren Top-Kandidaten schöpfen. Vielmehr stellen künftig die Arbeitnehmer Ansprüche und wählen zwischen den angebotenen Stellen. Employer Branding rückt immer mehr in den Fokus: Der Arbeitgeber muss seine Attraktivität gegenüber Bewerbern steigern.
Infolge des Fachkräftemangels rückt das Thema Familie und Beruf immer stärker in den Fokus, auch um mehr Frauen in das Berufsleben zu integrieren. Zudem gilt es, die Gesundheit der Belegschaft zu erhöhen, um möglichst lange von guten Arbeitskräften zu profitieren. Gesundheitsangebote und Ergonomie werden zu immer wichtigeren Faktoren der Arbeitswelt. Die Büros müssen älteren und jüngeren Generationen sowie deren unterschiedlichen Arbeitsweisen gerecht werden. Künftig werden Menschen immer länger im Arbeitsleben stehen. Dies erfordert mehr gegenseitige Akzeptanz und funktionierende generationenübergreifende Wissenstransfers.
Digitalisierung
Nachdem Akten digitalisiert und Prozesse automatisiert wurden, gilt es jetzt, auch die Tätigkeiten zu digitalisieren und zu automatisieren. Algorithmen und Künstliche Intelligenz (KI) können Routinetätigkeiten übernehmen – so scheint der klassische Sachbearbeiter peu à peu zum Auslaufmodell zu werden. Obwohl Routinetätigkeiten künftig mehr entfallen, muss stellenweise noch in diese Arbeitsplätze investiert werden. Hier kristallisiert sich zu meinem Bedauern der Trend heraus, auf möglichst günstige Möbel beim einzelnen Arbeitsplatz zu setzen, mit der Überlegung im Hinterkopf – diese in fünf bis zehn Jahren nicht mehr zu benötigen. Das ist zunächst verständlich. Doch wäre es nicht die bessere Alternative, in die Arbeitskräfte zu investieren und diese weiter zu qualifizieren?
Zugleich streben junge Generationen in Büros, die damit aufgewachsen sind, das Wissen der gesamten Menschheit immer in der Hosentasche mit sich zu tragen. Doch kann dies den Wissens- und Erfahrungsaustausch ersetzen? Wissensarbeit und ‑transfer gewinnen zunehmend an Bedeutung, ganz gleich wo. Stark im Kommen sind daher Arbeitswelten mit vielfältigen und diversifizierten Arbeitsorten, die unterschiedliche Tätigkeiten ermöglichen und fordern. Zugleich gilt es, den Einzelnen verstärkt wahrzunehmen und seine Leistung wertzuschätzen.
Nachhaltigkeit
Der Wohlstand in Deutschland wächst stetig. Für junge Generationen wird der Schutz von Klima und Umwelt immer wichtiger. Auch Arbeitgeber werden von ihnen verstärkt unter die Lupe genommen. Am Nachhaltigkeitsaspekt müssen sich künftig Arbeitgeber, Arbeitsplätze und Produktion immer stärker messen lassen – so werden Klima- und Umweltschutz faktisch zu Segmenten des Employer Branding.
Ebenso ist Recycling gesellschaftlich ein Thema, das immer mehr an Bedeutung gewinnt. Hinterfragt werden die Lebensdauer von Produkten, die Materialherkunft, die Produktionsbedingungen – und immer öfter treten Themen wie Kreislaufwirtschaft beispielsweise in Form von Cradle-to-Cradle-Ansätzen, nachwachsenden Rohstoffen, Material- und Energieeffizienz, Fairtrade-Aspekten sowie Umwelt- und Sozialstandards in den Vordergrund. All diese Punkte haben bereits jetzt einen Einfluss auf die Büro- und Arbeitswelt und werden in den kommenden Jahren unser Denken und Handeln prägen.
Büroumgebungen mit Mehrwert
Der Duden definiert das Büro unter anderem folgendermaßen: „Arbeitsraum, in dem schriftliche oder verwaltungstechnische Arbeiten eines Betriebes, einer Organisation o. Ä. erledigt werden“. Diese Definition müsste meiner Ansicht nach einer Neuinterpretation weichen. In das Büro zu fahren, muss für Mitarbeitende einen Mehrwert haben. Das Büro der Zukunft sollte deutlich mehr sein als der bloße Arbeitsort. Es sollte Identität stiften, Ort des Sozialen sein, Raum für Ideen und Austausch bieten. Das Büro würde somit in seiner bisherigen engen Definition deutlich aufgewertet werden.
Die Planung einer solchen Büroumgebung muss tätigkeitsbasiert erfolgen, also ausgerichtet an den individuellen Tätigkeiten der Mitarbeitenden und den individuellen Problemstellungen des jeweiligen Unternehmens. Es gibt keine One-for-all-Lösung. Eine Büroumgebung sollte als Hub oder zentraler Knotenpunkt verstanden werden, an dem die Menschen einerseits Heimat, Sinn und Identifikation finden, andererseits kommunizieren und sich austauschen können. Eben das, was KI noch lange nicht leisten kann.