Kurt Ward, Senior Design Director bei Philips Healthcare, sprach im Rahmen der vom Magazin FRAME organisierten Veranstaltungsreihe „The Next Space“ im Oktober 2021 in Eindhoven über die Gesundheitsversorgung der Zukunft und ihren Einfluss auf Raumplanung und Stadtentwicklung.
Status quo
Im Jahr 2020 starben weltweit 4,2 Millionen Menschen an den Folgen der Umweltverschmutzung. Die Bevölkerung wird immer älter, was zu einer Zunahme von Krankheiten wie Alzheimer und Demenz und von mentalen Leiden führt. Unreine Luft, schlechtes Wasser und die zunehmende Lärmbelästigung sind derzeit gesellschaftliche Problemfelder.
Wir leben heute nicht mehr im Einklang und in Symbiose mit der Natur, sondern versuchen, die Natur in unseren Lebensstil zu integrieren, anstatt selbst ein Teil der Natur zu sein.
(Kurt Ward, Senior Design Director Philips Healthcare)
Gesundheitsversorgung der Zukunft
Prävention und die frühestmögliche Intervention werden das Gebot der Zukunft sein. Ward zeichnet das Bild einer im Netzwerk organisierten Gesundheitsversorgung, die sich über Zuhause, die Straße, ambulante medizinische Einrichtungen und Krankenhäuser verteilt. Dabei wird die Entwicklung von smarten Anwendungen und intelligenten Tools zu einer Dezentralisierung der Infrastruktur und mehr Patientenautonomie führen. Künstliche Intelligenz, Anwendungen mit VR-Technologie und mobile Gesundheitsangebote wie ein mit Diagnostik ausgestatteter, autonom fahrender Gesundheitsbus ergänzen die Gesundheitsversorgung in Krankenhäusern und stationären Praxen und lassen sie dort stattfinden, wo sich die Patienten ohnehin aufhalten.
So werden Medizin-Hubs entstehen, die neben einem umfassenden Katalog an Gesundheits- und Präventionsmaßnahmen vor allem Diagnostik aus der Ferne, die schnelle medizinische Versorgung und eine die Gesundheit fördernde Umgebung bieten.
Resiliente Städte
Neue Gesundheitskonzepte im urbanen Raum berücksichtigen Megatrends wie den demografischen und den klimatischen Wandel. Das führt dazu, dass Gesundheit zunehmend auch als städtebauliches Thema verstanden wird. Die Stadtentwicklung folgt dann einem holistischen Ansatz mit dem Ziel, die Einwohner gesünder und widerstandsfähiger zu machen. Resiliente Städte tragen zur Verbesserung des physischen, psychischen und sozialen Wohlergehens der Menschen bei. Das erfordert flexible Gestaltungslösungen und verändert das Stadtbild nachhaltig:
- Entstehung von Quartieren
Es werden quartierähnliche Siedlungen entstehen, die den Community-Gedanken und die Gemeinschaft stärken und bedürfnisorientierte Lebensräume schaffen. Ein Dorf in Holland, das als Pilotprojekt speziell für die Anforderungen von Demenzkranken entwickelt wurde, ist nur ein aktuelles Beispiel, wie solche Konzepte aussehen und wie vielfältig sie sein können. - Ausbau von Grünflächen
Die Städteplanung nutzt die Erkenntnisse über die positive Wirkung von Naherholungsflächen und wandelt Asphalt- in urbane Grünflächen um. Nicht nur Rasenflächen werden das Stadtbild der Zukunft prägen. Auch Dachgärten und begrünte Fassaden werden zum beliebten Trend in Städten. - Luftreinhaltung
Ein wichtiger städtebaulicher Aspekt wird die Luftreinhaltung sein. Da ein Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und einigen Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems und der Atemwege besteht, werden sich Architekten und Stadtplaner mehr mit der Verbesserung von Lufthygiene und Luftzirkulation befassen. - Adaptive Systeme
Auch die Integration von adaptiven Systemen kann das Wohlbefinden steigern. Parkbänke, die, sobald Menschen darauf Platz nehmen, mit natürlichem Licht angestrahlt werden, das sich aber auch nach Bedarf regulieren lässt, tragen zu einer Verbesserung des Gemütszustands und zur Gesundheitsförderung bei.
Die gesündere Arbeitswelt
Die für die Healing City geltenden Leitlinien werden auch für die Gestaltung von Arbeitsplätzen an Bedeutung gewinnen. Ward beschreibt folgende Trends:
- Entstehung von Hub-Modellen
Ähnlich wie im Gesundheitswesen werden Unternehmen vermehrt Hub-Ansätze entwickeln. Das Unternehmen als Zentrale und weitere dezentrale Arbeitsorte setzen sich durch. - Biophiles Design
Die Integration von Pflanzen – und damit der Natur – am Arbeitsplatz schafft gesündere Arbeitsbedingungen. Begrünte Wände, Dachgärten und Wasserflächen werden in Zukunft Büros zieren. - Ruhe- und Erholungszonen
Ruhezonen und Erholungsflächen werden verstärkt Einzug in die Arbeitswelt halten. Das hat positive Auswirkungen: Gerade Kreativarbeiter profitieren von einem vielfältigeren Raumangebot und Möglichkeiten, ihre Gedanken in entspannter Umgebung fließen zu lassen. - Lichtdesign und Lärmreduktion
Natürliches Licht sorgt nicht nur für eine positive Gemütslage, es macht Mitarbeiter auch produktiver. Neben einem durchdachten Lichtkonzept befassen sich Unternehmen künftig verstärkt mit Akustikplanung und Lärmreduktion. - Adaptive Räume mit smarter Technologie
In Unternehmen werden mehr adaptive Arbeitsräume entstehen, die mit smarter Technik ausgestattet sind. So wird es beispielsweise möglich sein, bedürfnisorientiert spezielle Tools zu nutzen, die die Aufgabenerfüllung bestmöglich unterstützen.