Unternehmens- und Führungskultur sowie das lernende Unternehmen sind Themen, die als Erfolgsfaktor für Organisationen und Unternehmen erkannt wurden. Wie aber bekommt man die beiden Themenstränge zusammen und was hat das am Ende mit der Frage von harten Fakten wie Organisationsstrukturen sowie räumlichen und zeitlichen Arbeitsbeziehungen zu tun? Wenn man ein Beratungsunternehmen für Führungskulturentwicklung Lernraum.Akademie nennt, schreibt man sich auch auf die Fahne, praxisnahe Antworten auf diese Frage zu finden.
Die drei Ebenen der Organisationskultur
Nach Edgar Schein umfasst die Organisationskultur drei Ebenen: Die erste Ebene ist die sichtbare Ebene der gestalteten Wirklichkeit, in der vom Organigramm bis zum Gebäude alles enthalten ist, was eine Organisation prägt und wahrnehmbar ist. Die zweite Ebene bezieht sich auf die Werte und Normen, die oft einen deklaratorischen Teil (Leitbilder etc.) und einen realen Teil der gelebten Werte haben, die davon abweichen können. Noch schwerer zu erfassen ist die dritte Ebene der Organisationskultur, da die dort enthaltenen Grundannahmen uns meist nicht bewusst sind.
Wenn wir die Lernkultur im Unternehmen gestalten, muss sie in das System der Unternehmenskultur passen. Das bekannte Bonmot von Peter Drucker „Culture eats Strategy for Breakfast“, wonach die Kultur stets die Oberhand behalten wird, gilt auch hier. Dabei hat die Stärkung der Lernkultur das Ziel, Lernen als persönliche Weiterentwicklung und als institutionalisierten Prozess im Sinne einer organisationsbezogenen Lernkultur der Teams und des Unternehmens zu etablieren.
Von der Fehler- zur Lern- zur Experimentalkultur
Viele Unternehmen schreiben sich auch heute noch auf die Fahne, sich im Hinblick auf eine gute Fehlerkultur weiterentwickeln zu wollen. Angesichts von Qualitätsmanagementsystemen, die in vielen technisch geprägten Bereichen mit einer Null-Fehler-Zielsetzung verbunden sind, ist der Umgang mit dem Begriff des Fehlers vorbelastet. Mitunter fehlt ein gelernter konstruktiver Umgang mit Fehlern, um aus ihnen einen möglichst großen Nutzen im Sinne des individuellen und organisationalen Lernens zu ziehen. Sobald die Kultur des Umgangs mit Fehlern durch Schuldzuweisungen geprägt ist, werden Fehler nicht mehr als „learning opportunity“ verstanden. Angstfreiheit ist jedoch eine entscheidende Voraussetzung für ein gesundes Arbeitsklima und die Brücke zum Lernen.
Unternehmen als lernende Organisation sind in der Lage, zwischen beizubehaltenden alten Gewissheiten und neuen Erkenntnissen eine gute Verbindung zu schaffen, um in Balance zu bleiben. Es geht in diesem Zusammenhang um mehr als nur eine Lernkultur, die in der Lage ist, auf Veränderungen der Umwelt zu reagieren. Es geht um eine bewusste Herausforderung etablierter Strukturen und Prozesse, eine systematische Verankerung der Veränderung und des Wandels in der Organisationskultur. Wenn dieser Schritt zur echten Lernkultur in Angriff genommen wurde, steht noch in vielen Fällen ein weiterer Schritt an, indem das Lernen durch gezielte Experimente und damit ausgelöste Erfahrungen verbunden wird und im Sinne des agilen Managements nach dem Lean Startup-Prinzip von Eric Ries eine Experimentalkultur etabliert wird. Die Kernidee besteht beispielsweise in einer Abkehr von Detailbeschreibungen künftiger Produkte. Stattdessen werden Minimal Viable Products (MVP) entwickelt und getestet, um festzustellen, wie denn die Performance aus Sicht der Zielgruppe zu beurteilen ist.
Lernräume und Lernorte
Für eine Lern- und Experimentalkultur braucht es bereits eine entwickelte Führungskultur, in der beispielsweise das Prinzip der Selbstverantwortung ausreichend umgesetzt wird und im Rahmen einer Feedbackkultur ein wirksamer Rückkanal zwischen den einzelnen Bereichen und Hierarchieebenen besteht, der jeweils in beide Richtungen funktioniert. Lernen braucht jedoch auch Lernräume und das sowohl in zeitlicher als auch räumlicher Hinsicht. Wer einen Innovationsschub im Unternehmen erzielen möchte, muss auch zeitlich Freiräume für persönliches und institutionelles Lernen und Experimentieren schaffen. Der Raum für diese kreative Arbeit kann im Unternehmen liegen, aber ähnlich wie es in der Schule auch außerschulische Lernorte gibt, spielen in einer lernenden Unternehmung ebenfalls die Lernorte außerhalb des Unternehmens, beispielsweise im Markt, bei Kunden etc. eine immer größere Rolle.
Was ist der Lernraum Büro?
Damit ein Büro im Zusammenspiel mit anderen Lern- und Arbeitsorten einer Unternehmung seine Rolle gut erfüllen kann, muss es den unterschiedlichen Funktionen und Bedürfnissen eines Ortes für institutionalisierte Kreativ- und Entwicklungsarbeit entsprechen. Hier werden die Leser als fachkundiges Publikum direkt eigene Vorstellungen vor ihrem geistigen Auge aufziehen sehen. Wo geht es um konzentriertes Arbeiten, fokussierten Austausch oder um Begegnungen und den inhaltlichen Impuls des Zufalls? Welche Konzepte in der räumlichen Anordnung oder Möblierung können genau diese Ideen unterstützen? Wie wirkt sich das auf die Aufbau- und Ablauforganisation aus, die wir in den einzelnen Teams und Bereichen etabliert haben?
Veranstaltungshinweis in eigenem Sinne:
Wer eine echte Weiterentwicklung seines Unternehmens im Sinne der Lernkultur erreichen möchte, muss neben den inhaltlichen Fragen der Werte und Normen sowie der Reflexion der Grundüberzeugungen auch ganz konkret die Wirklichkeit in Angriff nehmen. Dazu gehören für den Lernraum Büro auch alle Maßnahmen, die die Menschen in diesem Biotop bei ihren Aufgaben unterstützen und die Aufenthaltsqualität erhöhen. In vielen Fällen braucht es dazu eine Vision über die Lernkultur des eigenen Unternehmens, die diesem Prozess zugrunde liegt.
Beim Lernkulturtag+ der Lernraum.Akademie wird das Thema der Vision am 14.und 15.09.2023 in die Anwendung gebracht. Eine Veranstaltung, die als Lernraum das ehemalige Benediktinerkloster Sankt Peter im Schwarzwald nutzt, denn hinter der bewussten zeitlichen und räumlichen Ausgestaltung von Lernräumen steht eine konzeptionelle Idee.