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Die Arbeitswelt steht Kopf: Anastasia Barner über die Erwartungen und Herausforderungen der Generation Z

Generation Z

Anastasia Barner, @Eric Köckeritz
IBA Redaktionsteam IBA Redaktionsteam ·
9 Minuten

Die Generation Z bringt Veränderung in die Arbeitswelt. Was zeichnet diese Generation aus und was erwartet sie von Unternehmen? Wir sprachen mit Anastasia Barner, „TOP 10 Social Entrepreneurin des Jahres 2022“ und Gründerin von FeMentor, über Arbeitskultur, Reverse Mentoring und die Herausforderungen, jung zu gründen.

Was zeichnet die Generation Z besonders aus und wie unterscheidet sie sich von älteren Arbeitnehmergenerationen?

Zunächst muss die Generation Z differenziert betrachtet werden. Während die ältere Gen Z ohne ständige digitale Begleitung aufgewachsen ist, ist die jüngere Gen Z bereits seit dem Kindergartenalter mit iPads vertraut. Wir fordern viel und haben gelernt, Grenzen zu setzen, im Gegensatz zu anderen Generationen, die zu Hause mit vergleichsweise harter Hand geführt wurden. Gerade wenn ich mir den größten Konfliktpartner anschaue, die Babyboomer, die uns stark verurteilen, ist das ein ganz großer Unterschied. Unsere Eltern sind die Boomer und Generation X. Sie haben versucht, es besser zu machen und uns Freiheiten zu geben. Sie waren eher Helikoptereltern als strenge Eltern und haben uns auch früh Therapien ermöglicht. Und das merkt man auf jeden Fall schon, dass wir sehr früh gelernt haben, Grenzen zu setzen, manchmal ein bisschen zu früh, gerade auf dem Arbeitsmarkt.

Es wird oft gesagt, dass die Generation Z weniger karriereorientiert ist und mehr Wert auf eine ausgewogene Work-Life-Balance legt. Wie lässt sich diese Haltung mit den Anforderungen der modernen Arbeitswelt vereinbaren?

In meinen Augen ist das falsch. Man will uns dieses Work-Life-Balance-Ding anhängen. Aber das sind wir nicht, das sind die Millennials. Wir wollen viel Geld verdienen, remote arbeiten und Sicherheit haben. Wir sind eigentlich eine sehr spießige Generation. Und klar, wir wollen etwas lernen, uns weiterentwickeln und gerne ganz oben einsteigen, uns aber nicht unbedingt hocharbeiten. Diese jugendliche Arroganz oder auch Naivität ist oft ein Konfliktpunkt im Job, der zu Spannungen führen kann.

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Laut einer forsa-Studie aus dem Frühjahr 2023 sind junge Arbeitnehmer deutlich weniger loyal gegenüber ihrem Arbeitgeber als ältere Generationen. Welche Unternehmenskultur und Führungskompetenzen sind notwendig, um die Generation Z langfristig an ein Unternehmen zu binden?

Vor allem eine Unternehmenskultur, die kontinuierliche Lernmöglichkeiten bietet. Führung, die immer wieder neue Aufgaben stellt, die die persönliche Weiterentwicklung fördert. Praktikanten nicht zum Kaffeekochen schicken, sondern Berufserfahrung sammeln lassen, und auch denjenigen eine Chance geben, die nicht über Vitamin B verfügen oder noch kein Praktikum gemacht haben. Unternehmen sollten auch bereit sein, Bewerbern eine Chance zu geben, deren Lebenslauf und Noten vielleicht nicht perfekt sind. In den USA verzichten bereits 40 % der großen Unternehmen bei der Besetzung von Stellen, für die ein Bachelor-Abschluss nicht erforderlich ist, auf ebendiesen, was zeigt, dass auch andere Qualifikationen wertvoll sein können.

In wenigen Jahren werden die Millennials und die Generation Z die Mehrheit in der Arbeitswelt stellen. Wie können Unternehmen die unterschiedlichen Werte und Arbeitskulturen dieser Generationen so zusammenbringen, dass möglichst alle zufrieden sind?

Wichtig ist, dass Unternehmen auf gegenseitiges Lernen und Verstehen setzen. Mit meinem Start-up machen wir genau das, indem wir Reverse Mentoring anbieten. Eine Führungskraft sollte sich regelmäßig mit einem jungen Mitarbeiter zusammensetzen und sich austauschen. Ein Vorstand sollte verstehen, wie die junge Generation tickt. Die Einbeziehung junger Perspektiven in Entscheidungsprozesse, zum Beispiel durch die Aufnahme jüngerer Mitarbeiter in Führungsteams oder Boards, kann helfen, Missverständnisse abzubauen und ein besseres gegenseitiges Verständnis zu schaffen.

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Wie kann der Wissenstransfer zwischen den Generationen gelingen und welche Voraussetzungen müssen dafür in Unternehmen geschaffen werden?

Wir müssen anfangen zu sagen: Wir besetzen Positionen auch mit Menschen aus den jüngeren Generationen, wir fragen sie und beziehen ihre Perspektive mit ein. Denn wir müssen gegenseitig verstehen, wie wir ticken. Nehmen wir den Zugang zu Wissen. Wir lesen keine Nachrichten mehr, wir haben keine Abos von einer Zeitschrift, die nach Hause kommt. Wir lesen auch keine Online-Artikel. Wir lesen, was auf TikTok erscheint. Wir googeln auch nicht mehr. Wenn ich in den Urlaub fliege, schaue ich auf TikTok oder Instagram und lasse mir die besten Orte und persönliche Empfehlungen für meinen Urlaubsort anzeigen. Warum sollte ich dann noch googeln und Artikel lesen? Und das kann man auch auf den Arbeitsmarkt übertragen. Wir haben unglaublich viel Zugang zu Wissen und können uns Wissen leicht aneignen. Und die Unternehmen müssen das verstehen, junge Leute mehr einbinden und frischen Wind in traditionelle Strukturen bringen.

Was hat dich motiviert, FeMentor zu gründen, und wie hat sich die Plattform seit ihrer Gründung entwickelt?

Es hat mein Leben verändert zu gründen. Zum Aufbau von FeMentor hat mich unter anderem das Netzwerk, das mir zur Verfügung stand, motiviert. Zu meinem 18. Geburtstag bekam ich von meiner Mutter, die selbst PR-Beraterin ist, ein kleines grünes Kontaktbuch mit zahlreichen Kontakten und Jobmöglichkeiten. Anstatt diese Ressourcen nur für mich zu nutzen, beschloss ich, sie zu teilen und eine Plattform ins Leben zu rufen, von der andere Frauen profitieren können. Seit 2019 sind wir damit erfolgreich. Obwohl die meisten Start-ups scheitern, gehört FeMentor zu den wenigen, die es geschafft haben. Mittlerweile sind wir seit fast fünf Jahren aktiv und haben unser Netzwerk von anfänglich 50 Mentorinnen, die Freundinnen meiner Mutter sind, auf 5.000 Mentorinnen erweitert.

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Welche Herausforderungen hast du als eine der jüngsten Gründerinnen Deutschlands erlebt und wie hast du sie gemeistert?

Eine der größten Herausforderungen war sicherlich, ernst genommen zu werden. Jetzt, fünf Jahre später, sprechen mich Leute an, die ich vor fünf Jahren angeschrieben habe, ob sie mich unterstützen würden – und jetzt klopfen sie an meine Tür und fragen, ob ich ihnen vielleicht einen Kontakt zu irgendeiner Führungsposition vermitteln könnte. Und das ist schade, dass viele sich eben nach oben orientieren und nicht nach unten. Das ist mir immer wieder aufgefallen und ich habe mir geschworen, das besser zu machen. Menschen mit Respekt zu behandeln, egal ob es ein Investor, eine Führungskraft, ein Mitarbeiter oder ein Student ist, der mich für seine Bachelorarbeit interviewen möchte. Auch wenn ich heute nicht mehr auf jede Anfrage eingehen kann, versuche ich immer, respektvoll zu antworten und alternative Lösungen anzubieten. Diese Haltung hat mir geholfen, wertvolle Beziehungen aufzubauen und erfolgreich zu sein. Was ich damals immer schwierig fand, war, dass man von vielen von oben herab betrachtet wurde, nach dem Motto: Wir schauen mal, was die Kleine macht. Und als ich dann erfolgreich war, wurde ich auch in die Räume und zu wichtigen Veranstaltungen eingeladen. Aber dafür musste ich kämpfen.

Mit FeMentor möchtest du mehr Frauen in Unternehmen bringen und die Führungsebene weiblicher machen. Was sind deiner Meinung nach die größten Hindernisse und wie können sie überwunden werden?

Wir müssen vor allem das „Pretty Privilege“ überwinden. Schau dir mal die erfolgreichsten Gründerinnen in Deutschland an. Kaum eine von ihnen ist übergewichtig, die wenigsten haben dunkle Haare, die meisten sind blond und blauäugig und entsprechen einem bestimmten Schönheitsideal. Wer nicht dem Ideal entspricht, dem bleibt der Erfolg verwehrt, das gilt auch für Unternehmen. Unternehmen tun gut daran, darüber hinwegzuschauen gemäß meinem Lieblingszitat „Expertise ist in mir und nicht an mir.“ Und es geht ja nicht nur um das Aussehen, sondern auch um die Herkunft, die Religion, um alles, was Diversität ausmacht. Ein letztes Beispiel. Früher wurden die Leute im Orchester beim Vorspielen gecastet und dann hat man irgendwann angefangen, sie hinter einem Vorhang spielen zu lassen. Und anschließend wurden mehr Frauen rekrutiert. Und das sagt viel über unsere Vorurteile aus. Und vielleicht muss man das wirklich machen, dass man bei Bewerbungsgesprächen die Bewerber hinter einen Vorhang mit Stimmverzerrung setzt. Weil ein Thomas wird immer einen Thomas einstellen, genauso wie ich eher eine Anastasia einstellen werde, weil es einen persönlichen Bezug gibt, der sofort zu Sympathie führt. Das muss man einfach verstehen.

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Was möchtest du unseren Lesern noch mit auf dem Weg geben?

Sprecht mit euren Kindern, wenn ihr welche habt. Seht sie als Wissensquelle an und sprecht mit ihnen auf Augenhöhe. Respektiert uns, um auch respektiert zu werden. Wir haben das Glück, uns aufgrund des Fachkräftemangels aussuchen zu können, wo wir arbeiten wollen. Und versteht, wo wir herkommen. Versteht unsere Herkunft und die Bildungssysteme, die uns geprägt haben. Viele von uns haben unter frühen Trennungen gelitten und sehnen sich aufgrund extremer Zukunftsängste nach traditionellen Werten und finanzieller Sicherheit. Es geht nicht nur um Geld, sondern auch um Sicherheit und Stabilität in einer unsicheren Welt. Wir wollen Familie und Karriere gleichzeitig leben können, ohne uns zwischen beiden entscheiden zu müssen. Diese Vielschichtigkeit unserer Motive und Herausforderungen verdient Verständnis und Anerkennung in der Diskussion um unsere Werte und Lebensentscheidungen.

Anastasia, vielen Dank für das Interview.

Anastasia Barner ist Gründerin von FeMentor, der ersten Reverse-Mentorinnen-Plattform in Europa, TEDx-Speakerin und Autorin von „(Ge)Gründet – Start-up-Szene uncovered“, erschienen im Haufe Verlag. Sie gehört zu den jüngsten Gründerinnen Deutschlands. Als Vertreterin der Generation Z berät sie Firmen unter anderem zu Fragen in den Bereichen Social Media, Medienverhalten der Generation und dem Gewinnen von jungen Talenten. Mehr Informationen unter: linkedin.com/in/anastasia-barner-fementor und https://www.fementor.de/.

Titelbild: Eric Köckeritz