IBA Forum sprach mit Frau Prof. Dr. Weiß, Professorin, mehrfache Aufsichtsrätin, Autorin und Speakerin zum Thema Future Work, Future Skills und digitale Transformation über die Zukunft der Arbeit, die Auswirkungen der digitalen Transformation und die Frage, wie Unternehmen ihre Beschäftigten künftig mit zukunftsfähigen Skills ausstatten.
Die digitale Transformation hat die Arbeitswelt erreicht. Analoge und digitale Welt verschmelzen, die Disruption bringt neue Themen auf die Management-Agenden. Unternehmen kämpfen künftig nicht nur um die besten Talente, sondern stehen auch vor der Aufgabe, ihre Beschäftigten mit zukunftsfähigen Skills auszustatten und digitales Upskilling und Reskilling zu fördern.
Frau Prof. Dr. Weiß, Sie haben kürzlich das Buch „Weltbeste Bildung – Wie wir unsere digitale Zukunft sichern“ veröffentlicht. Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf die Anforderungsprofile für Mitarbeiter und Führungskräfte?
Sehr große. Wir erleben derzeit die größte Transformation des Arbeitsmarkts, die wir je gesehen haben. Die Megatrends der Digitalisierung, Demographischer Wandel sowie die Notwendigkeit zur Dekarbonisierung schlagen gleichzeitig in den Unternehmen auf und verändern Geschäftsmodelle, ‑prozesse und Anforderungsprofile. Wir benötigen eine digitale Alphabetisierung der Gesellschaft sowie die Umsetzung von lebenslangem Lernen in den Belegschaften, um mit der Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft und teils disruptiven technologischen Entwicklungen Schritt halten zu können. Mir war es ein Anliegen mit dem Buch „Weltbeste Bildung“ zu beschreiben, wohin die Reise geht, und ein Gefühl dafür zu vermitteln, was kommt, was geht und was bleibt. Worauf können wir weiterhin bauen? Wo entstehen gerade neue Chancen und neue spannende Tätigkeitsprofile? Aber auch: Welche Fähigkeiten werden in Zukunft entwertet, da sie durch Technologien effizienter oder effektiver erledigt werden können? Ich merke immer wieder in den Gesprächen mit meinen jungen Studierenden, dass sie viel zu wenig darüber wissen, wie sich die Arbeitswelt und auch die Anforderungen an Arbeit in Zukunft verändern werden. Dabei ist davon auszugehen, dass durch die Digitalisierung deutlich mehr Jobs neu geschaffen als substituiert werden.
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Welche Skills müssen künftig stärker ausgebildet werden?
Es werden sowohl technologische Fähigkeiten wichtiger als auch soziale Fähigkeiten. Derartig hybridqualifiziert zu sein, ist das neue „Sexy“ am Arbeitsmarkt. Und gleichzeitig werden in einer zunehmend dynamischen und volatilen Welt auch sogenannte Metakompetenzen wichtiger. Mitarbeiter benötigen ausgeprägte Lern- und Anpassungsfähigkeit, Problemlösungskompetenzen, Kreativität und die Fähigkeit, in diversen sowie interdisziplinären Teams zusammenzuarbeiten. Da die Zusammenarbeit immer interdisziplinärer und internationaler werden wird und sich Teams – auch altersmäßig – viel heterogener zusammensetzen und aus Mensch und Maschine bzw. Mensch und Technologie bestehen werden, müssen neue Formen der Teamfähigkeit ausgebildet werden. Sozialkompetenzen bleiben das menschliche Alleinstellungsmerkmal. Beziehungsaufbau, Feinfühligkeit im Umgang mit anderen, Empathie, Fingerspitzengefühl und Warmherzigkeit lassen sich auch in Zukunft nicht an Technologie delegieren.
Sind die Unternehmen gut auf kontinuierliche Lernprozesse vorbereitet?
Da gibt es sehr große Unterschiede. Einerseits waren die Weiterbildungsbudgets noch nie so hoch wie jetzt. Es führt kein Weg für Unternehmen daran vorbei, Zeit und Ressourcen in Lernprozesse zu investieren. Aber andererseits muss Lernen tatsächlich auch als elementarer Bestandteil der Aufgabenbeschreibung von Mitarbeitern gewertet werden. Für mich ist die Verantwortung für das Lernen ganz klar auch eine geteilte Verantwortung. Zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Wissensarbeiter in dynamischen Branchen müssen künftig auch in ihrer Freizeit bereit sein, in ihre Bildung zu investieren.
Wie kann sich jeder Einzelne die Kompetenzen aneignen, um im digital vernetzten Zeitalter zu bestehen?
Jeder Einzelne muss sich selbstkritisch fragen, ob man über die Fähigkeiten verfügt, um seinen gegenwärtigen und zukünftigen Job effizient und effektiv erledigen zu können. Wer sich nicht weiterentwickelt, bleibt nicht stehen, sondern fällt de facto aufgrund der Veränderungsdynamik zurück. Meiner Meinung nach ist hier vor allem Mindset-Arbeit wichtig: Jeder Einzelne sollte an seinem eigenen Kompetenz-Portfolio arbeiten, quasi zum Unternehmer in eigener Sache werden. Es gilt also künftig, den individuellen Weiterbildungsbedarf kontinuierlich zu evaluieren. Was kann ich? Wo möchte ich hin? Und wo ist die Lücke? Und erst dann kann ich mir die Frage stellen, welches die richtigen Wege zu lernen sind. Was bin ich für ein Lerntyp? Wie kann ich Lernen systematisch angehen? Und wie integriere ich Lernen als festen Bestandteil in meinen Alltag?
Bei dieser Aufgabe ist übrigens niemand auf sich allein gestellt. Nicht nur Unternehmen wie Microsoft, SAP, Deutsche Telekom und Google bieten kostenlose Bildungsangebote zum Aufbau digitaler Kompetenzen an. Auch der Bildungssektor hat mit den sogenannten MOOC-Kursen – Massive Open Online Courses, weltweit zugänglichen interaktiven Online-Kursen – viele kostenlose Bildungsmöglichkeiten geschaffen. Mein Social Start-up YOLOA unterstützt zum Beispiel junge Menschen dabei, die eigenen Digitalkompetenzen zu testen und sich in der digitalen Arbeitswelt von morgen besser zurechtzufinden.
Wie sieht das Büro der Zukunft aus?
Wir werden die physische Arbeitswelt nie gänzlich abschaffen, nur weil die virtuellen Möglichkeiten der Zusammenarbeit immer besser werden. Ich bin davon überzeugt, dass wir trotz aller Technologie immer soziale Wesen bleiben werden. Für mich trifft die folgende Aussage die Sache auf den Punkt: „People want to work from anywhere, but still belong to somewhere.“ Für Zugehörigkeit werden auch künftig physische Begegnungen im Büro benötigt. Insbesondere für Vertrauensaufbau, soziale Interaktion, kreativen und strategischen Austausch sowie für kritische Gespräche. Hier sind physische Räume immer noch virtuellen Räumen überlegen. Allerdings müssen sich die Büros in Zukunft deutlich verändern: eine Begegnungsstätte werden, die Menschen anzieht und zum Verweilen und sozialen Lernen und Austausch einlädt.
Frau Dr. Weiß, wir danken Ihnen für das Gespräch.