Anlässlich der New Work Experience im Juni 2022 in Hamburg sprach Melanie Wagner, Country-Managerin DACH des israelischen HR-Tech-Unternehmens HiBob, in ihrer Keynote über die veränderte Arbeitswelt und die Erwartungen jüngerer Mitarbeitergenerationen an Flexibilität und Veränderungsprozesse in Unternehmen. Anlass für uns, mit Melanie Wagner über die künftige Rolle von Unternehmenskultur als Employer-Branding-Faktor zu sprechen.
Frau Wagner, demografischer Wandel und das Werte-Set jüngerer Mitarbeitergenerationen stellen HR-Abteilungen vor große Herausforderungen. Wie müssen sich Unternehmen künftig positionieren, um für Mitarbeiter interessant zu bleiben?
Müsste ich es auf ein Wort runterbrechen, würde ich sagen: zeitgemäß. Heißt: Unternehmen müssen erkennen, dass wir schon mittendrin stecken im New Work. Heute gilt es, agil, flexibel und dynamisch zu sein. Wer an überholten, alten Strukturen und Hierarchien festhält ist, so denke ich, verloren. Empathielose Führung von oben herab ist nicht zeitgemäß. Flache Hierarchien, Leadership mit Empathie und Wertschätzung, mit Interesse an der eigenen Person sind gefragt. Die junge Generation, Gen Z und jüngere Millennials in Europa, so wissen wir es aus unserer kürzlich veröffentlichten „Young Generation in Tech“-Studie, sind begeistert von den flexiblen Arbeitsmodellen, die durch die Covid-19-Pandemie beschleunigt wurden. Auch schätzen sie die Zusammenarbeit mit anderen. Die Studienergebnisse zeigen aber auch deutlich: Es braucht eine neue, verbesserte Führungskultur in den Unternehmen. Mitarbeiter:innen wollen gesehen werden, Entwicklungspotenzial haben, bessere Gehälter bekommen und wünschen sich insgesamt ein besseres Verhältnis zu ihren Vorgesetzten und Führungskräften. Die Unternehmen laufen sonst Gefahr, dass sie ihre Mitarbeitenden verlieren.
Welche Rolle spielt die Unternehmenskultur für die Mitarbeitergewinnung und ‑bindung?
Meine Antwort auf die vorherige Frage lässt es schon erahnen: definitiv eine große und entscheidende. Bewerber:innen informieren sich heute im Vorfeld sehr genau über den potenziellen Arbeitgeber. Was früher mit einem schnellen Scan der Firmen-Website, Medienberichten und Stellenausschreibungen erledigt war, lässt heute viel mehr Möglichkeiten zu. Hier sei an die Social-Media-Channels gedacht, an Podcast-Aufnahmen, aber natürlich auch an Bewertungen und Kommentare wie beispielsweise auf kununu. Und im Gegensatz zu den älteren Generationen nehmen die jüngeren Generationen persönliche Unzufriedenheit am Arbeitsplatz nicht mehr in Kauf. Stichwort: Great Resignation. Wer den Einfluss der Unternehmenskultur auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter:innen nicht sieht und versteht, riskiert, Personal zu verlieren. Die Gen Y und Genz Z wünschen sich von ihren Arbeitgebern Kultur, Visionen, Corporate Social Responsibility, Flexibilität sowie flache Hierarchien und suchen Sinn in der eigenen Arbeit. Dieser Raum muss für die Gewinnung und Bindung von Mitarbeitenden unbedingt geschaffen werden.
Trägt die Unternehmenskultur zur Employee Experience bei?
Unsere „Young Generation in Tech“-Studie hat deutlich gezeigt, wie eng die Unternehmenskultur und Employee Experience miteinander verknüpft sind. Mit dem deutlichen Warnsignal an die Arbeitgeber in der Tech-Branche Europas: Wer nicht zeitnah die Unternehmenskultur anpasst, wird mit einer Kündigungswelle der Gen Y und Gen Z rechnen müssen.
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Wie kann die Transformation hin zu aktiveren Kulturprozessen gelingen?
Ich denke, es braucht Mut, eine „Just do it“-Mentalität, Freiraum und Flexibilität. Unternehmen hängen in ihren traditionellen und etwas starren Strukturen fest. Covid-19 hat den Wandel der Arbeitswelt zwar beschleunigt, den Weg für einen Umschwung bereitet und bewiesen, dass es anders geht, und dennoch kehren viele Unternehmen zum Status quo vor der Pandemie zurück. Ich denke hier nicht nur an das Loslösen von papierlastigen Prozessen, sondern auch an das starre Festhalten an einer 5‑Tage-Woche, an das klassische 9‑to‑5‑Modell, an das Arbeiten vom Office aus. Das ist schade. Ich finde, es lohnt sich auf Agilität zu setzen. New Work fängt schon damit an, dass Unternehmen ihren Mitarbeitenden flexible Arbeitszeitmodelle ermöglichen sollten – Remote Work, hybrides Arbeiten, Workation, Jobsharing … Arbeitszeit muss flexibel werden. Weg von den 9‑to-5-Arbeitszeiten. Privat und Beruf – die Zeiten sollten viel mehr verschwimmen und gleichzeitig natürlich auch so getrennt werden, dass die Mitarbeiter:innen ihre körperlichen und mentalen Erholungsphasen haben. Stichwort: mentale Gesundheit statt Burn-out.
Ist es sinnvoll die Unternehmenskultur zu messen? Und wenn ja, wie kann das funktionieren?
Ja, unbedingt, es ist sinnvoll, die Unternehmenskultur zu messen. Ein Must-do jeder HR-Abteilung, wie ich finde. Nur so lassen sich die Pains & Gains erkennen und gezielt angehen und verbessern – frühzeitig, versteht sich. Man sollte den persönlichen Austausch mit den eigenen Mitarbeitenden nicht unterschätzen. Wer sich regelmäßig offen und ehrlich austauscht, bekommt schnell ein Gefühl dafür, wo die Mitarbeitenden stehen, was sie für gut befinden und was nicht. Es lohnt sich, gezielt nachzufragen, um ein Stimmungsbild einzuholen. Ich kann kleine Pulse-Checks nur empfehlen, um herauszufinden: Wo stehen wir? Wo steht das Unternehmen? Wichtig ist natürlich: Die Kennzahlen müssen dann auch genutzt werden. Man muss die Infos in die Umsetzung bringen, sage ich gerne. Die KPIs müssen mehr sein als ein reines Lippenbekenntnis.
Wie sollten Unternehmen auf die zunehmende Komplexität der Unternehmenskultur reagieren?
Offen, agil und flexibel. Hier ist, ich habe es eben schon gesagt, Mut gefragt. Eine Mentalität des Sich-Trauens, Ausprobierens und Zupackens. Kein Arbeitgeber kann es sich heute leisten, nicht darauf zu reagieren und den alten Status quo zu erhalten. Es lohnt sich, zu schauen, was (eben doch) möglich ist. Die Möglichkeiten sind grenzenlos. Man muss nur mutig sein und loslegen.
Frau Wagner, wir danken Ihnen für das Gespräch.