Dr. Craig Knight, Business Transformer, Psychologe und Direktor der Identity Realization Ltd. (IDR), einer Ausgründung der University of Exeter (England) teilte während der ORGATEC 2022 auf der Bühne des IBA Forums wissenschaftliche Erkenntnisse über die aktuellen Transformationen in der Bürowelt.
Die Bürowelt war selten von so vielen Unsicherheiten geprägt wie heute. Hybrides Arbeiten, sich verändernde Arbeitskulturen, der „Great Resignation“-Trend in der Wirtschaft und der Wunsch, alles wieder so zu machen, wie es vorher war, prallen aufeinander. Vor diesem Hintergrund berichtete Dr. Craig Knight in seinem Vortrag über neue Ansätze, Leistung und Zufriedenheit der Büromitarbeiter zu steigern.
Grundzüge der Büroarbeitskultur seit 100 Jahren gleichgeblieben
Bis Ende 2019, so die Einstiegsthese von Knight, gestaltete sich die Bürowelt in ihren Grundzügen mehrheitlich noch wie vor 100 Jahren – geprägt von starker Überwachung durch das Management und einer niedrigen Autonomie für die Beschäftigten. Hinzu kommt, dass noch in bis zu 70 % der Büros das sogenannte Lean Office-Gestaltungsprinzip umgesetzt wird. Diese auf das Minimum reduzierte Bürogestaltung soll die Produktivität des Büromitarbeiters steigern, indem sie Ablenkung auf ein absolutes Minimum reduziert. Auf der Manager- und Entscheiderebene wird das Prinzip allerdings selten angewendet. Im Gegenteil: Diese Gruppe arbeite fast immer in schönen Räumen, welche Spaß an der Arbeit, Teamgeist, Wohlbefinden, Inspiration und Kreativität fördern sollen. Dazu zitiert Knight Scott Adams, den Schöpfer der legendären „Dilbert“-Cartoons:
„All die Unannehmlichkeiten, die normale Arbeitnehmer produktiver machen, sind genau die Dinge, die leitende Angestellte weniger produktiv machen. Niemand weiß, warum.”
Lean Office vs. Empowered Office
In seiner Forschung interessiert sich Knight dafür, wie sich die Produktivität durch die Büroumgebung beeinflussen lässt. Er berichtete über ein Experiment, bei dem Büroangestellte dieselben Aufgaben in unterschiedlichen Umgebungen ausführten:
- Lean Space: nüchternes Büro ohne dekorative Elemente
- Enriched Space: Bürogestaltung mit für den Büromitarbeiter ausgewählter Dekoration, wie Pflanzen und Wandbilder
- Empowered Space: Bürogestaltung, die vom Büromitarbeiter selbst ausgewählt wurde
- Disempowered Space: Bürogestaltung, die vom Büromitarbeiter selbst ausgewählt wurde, im Anschluss aber verändert wurde
Die Messungen ergaben, dass im Enriched Space schneller gearbeitet wurde als im Lean Space und im Empowered Space noch schneller als im Enriched Space. Demgegenüber fiel die Arbeitsgeschwindigkeit im Disempowered Space wieder ab. Die Daten zeigten zudem, dass trotz der höheren Geschwindigkeit weniger Fehler gemacht wurden. Die Kreativität war im Empowered Space am höchsten.
Wichtigstes Ergebnis aber war, dass sich ein Zusammenhang zwischen dem Wohlbefinden der Mitarbeiter und ihrer Leistung nachweisen lässt. Knight verwies dazu auf den von ihm entwickelten Knight-Index, der Unternehmen eine Mess- und Optimierungsmethodik an die Hand gebe.
Weniger Autonomie = weniger Leistung
Mit Blick darauf, dass sich die Pandemie ihrem Ende zuneigt, möchten viele Arbeitgeber, dass ihre Angestellten wieder ins Büro kommen. Gleichzeitig richten immer mehr Unternehmen Arbeitszeiterfassungssysteme für das Homeoffice ein. Damit soll nicht nur der vom EuGH konstatierten Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeiten Folge geleistet werden, die Systeme sollen den Mitarbeitern auch einen besseren Überblick über die geleistete Arbeit geben und die Arbeitsmoral fördern. Knights Forschungsergebnisse sprechen jedoch eine andere Sprache. Diesen zufolge führt der Eingriff in die Autonomie der Beschäftigten zu einem geringeren Wohlbefinden, einem höherem Stresslevel und somit zu weniger Leistung. Vor diesem Hintergrund ruft Knight Arbeitgeber und Entscheider dazu auf, ihren Angestellten zu vertrauen. Mit Blick auf die Arbeitszeiterfassung hieße das, diese auf das von der Rechtsprechung und dem Gesetzgeber geforderte Minimum zu begrenzen.
Das beste postpandemische Büro
Enriched, besser noch Empowered Workspaces sollten laut Knight die neue Norm bei der Arbeitsplatzgestaltung werden und die noch vorherrschenden Lean Offices möglichst schnell ablösen. Aber selbst die positiven Effekte des Empowered Workspace lassen sich, so die Erfahrung des Transformationspsychologen, noch einmal steigern – mit dem „Super Empowered Space“. Bei diesem Konzept haben die Beschäftigten nicht nur die Möglichkeit, die Bürogestaltung auszuwählen, sondern sie werden aktiv in den Prozess der Konzeption miteinbezogen. „Wirkliches Empowerment ist die Verwirklichung der Identität im Raum“, so Knight. Seinen Forschungsergebnissen nach verbessert sich damit zudem noch einmal die Arbeitsgeschwindigkeit, die Kreativität und die intellektuelle Leistung der Büroarbeiter.
Knight betonte, dass seine Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen Arbeitsplatzgestaltung, Identifikation, Wohlbefinden und Produktivität in 20 Jahren Forschung sehr stabil geblieben sind. Ihm zufolge lässt sich das Wohlbefinden um bis zu 60 %, das Engagement um 45 % und die Produktivität um 31 % steigern. Dabei gehe es nicht um das beste Bürodesign, sondern darum die Menschen zu empowern.