Dr. Katharina Radermacher, Akademische Rätin am Lehrstuhl für Personalwirtschaft der Universität Paderborn, sprach am 27.10.2022 auf Einladung des Personalmagazins und des IBA darüber, wie sich Corporate Architecture auf die Arbeitgeberattraktivität auswirkt. Auf Basis einer wissenschaftlichen Untersuchung zeigte sie, welche Art von Unternehmensarchitektur Bewerber und Mitarbeiter bevorzugen und welche Signale unterschiedliche Architekturtypen aussenden. Dabei zog sie sowohl die Eigenschaften des Gebäudes als auch die der Einrichtung in Betracht.
Die Rolle von Architektur
Radermacher ging zu Beginn ihres Vortrags auf zwei aktuelle Trends ein: das Entstehen vieler neuer Formen der Unternehmensarchitektur und die deutlich gestiegene Aufmerksamkeit für die Arbeitsumgebung. Während für Unternehmen Architektur und Arbeitsplatzgestaltung zum strategischen Handlungsfeld avancieren, sind die Ansprüche der Mitarbeiter an die Architektur gestiegen und sie reagieren auch sensibler auf sie.
Damit drängt sich die Frage auf, welche Rolle Architektur im Recruiting einnimmt und ob Unternehmensarchitektur die wahrgenommene Arbeitgeberattraktivität überhaupt maßgeblich beeinflussen kann. Und noch ein Aspekt ist Radermacher wichtig: Bewerber, so ihre Erfahrung, suchen im gesamten Bewerbungsprozess nach glaubwürdigen Informationen über die potenziellen Arbeitgeber. Architektur könne für die meisten Bewerber – bewusst oder unbewusst – ein guter Indikator zur Beurteilung der Eigenschaften eines Unternehmens sein, so ihre Annahme.
Online-Experiment mit fiktiver Karriereseite
Für ihre wissenschaftliche Untersuchung, die in Form eines Online-Experiments auf einer fiktiven Karrierehomepage unter 1.822 Teilnehmern, darunter 1.360 Studierenden und 462 Professionals, durchgeführt wurde, baute Radermacher auf einer Typologie von vier Architekturtypen auf, die sie schon in früheren Experimenten genutzt hatte (siehe IBA Forum StudyNet, Mehrwert der Architektur).
Überblick über die vier Architekturtypen der Befragung
- Typ Balanced: Weder ein extrem horizontal noch extrem vertikal ausgerichtetes Äußeres. Eher funktional gehalten mit leichten Designelementen. Die Interaktionsbereiche sind eher offen und im Lounge-Stil. Die Arbeitsbereiche sind halb offen, sprich: Es gibt weder Großraum- noch Zellenbüros, sondern halboffene Arbeitsbereiche mit halbhohen Trenn- oder Glaselementen.
- Typ Fun: Angelehnt an die Tech-Unternehmen, die wir aus den USA kennen. Ein eher expressives Gebäudeäußeres mit sehr ungewöhnlichen Formen oder Farben, diverse Interaktionsbereiche, die durch Elemente aus der Spaß- und Freizeitwelt geprägt sind und offene Arbeitsplätze.
- Typ Solid Closed: Ganz stark vertikal ausgerichtetes Äußeres und eine flache Fassade. Architektur mit geschlossenen Interaktionsbereichen und Zellenbüros als Arbeitsplätze.
- Typ Solid Open: Identisch mit dem Typ Solid Closed, bis auf die Arbeitsplätze. Statt der Zellenbüros gibt es Cubicles, also eher die amerikanische Variante des soliden Architekturtyps. Dabei diente der Typ Solid Open bei der späteren Auswertung als Referenzkategorie.
Den Studienteilnehmern wurde ein Ausschnitt einer Karriereseite gezeigt, auf der sie sich über eine ausgeschriebene Arbeitsstelle und das zugehörige Unternehmen informieren konnten. Per Zufallsgenerator wurden ihnen dabei jeweils drei Abbildungen der verschiedenen Architekturtypen angezeigt. In einer anschließenden Befragung sollten die Probanden bewerten, welchen Eindruck das Unternehmen auf sie machte. Zur Bewertung des Einflusses der Architektur nutzte Radermacher die Faktoren Innovation & Flexibilität des Unternehmens, den Grad der Autonomie, die die Beschäftigten in dem Unternehmen genießen, den Work Environment Fit, also wie die Arbeitsumgebung zu den Arbeitsaufgaben passt, sowie den Aspirational Spirit als Synonym für den Wunsch der Beschäftigten, für ihren Arbeitgeber immer das Beste zu geben.
Architektur als glaubwürdiges Signal für Arbeitgebereigenschaften
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Architektur einen deutlichen Einfluss auf die Wahrnehmung der Arbeitgeberattribute hat. Am stärksten zeigt sich das naturgemäß bei der Beurteilung des Work Environment Fit. Gebäudeart und Einrichtung haben darüber hinaus einen signifikanten Einfluss auf die Erwartungen von Bewerbern in Bezug auf die Innovationsfähigkeit und Flexibilität eines Unternehmens und auch hinsichtlich der Autonomie führen die gezeigten Bilder zu unterschiedlichen Erwartungen. Lediglich der Aspirational Spirit wird dagegen von den Befragten mit keinem Architekturtypen so richtig in Verbindung gebracht.
Im Detail werden die Typen Balanced und Fun recht deutlich mit dem Attribut „Innovation & Flexibilität“ assoziiert. Beim Work Environment Fit schneidet der Typ Balanced mit Abstand am besten ab. Positive Erwartungen in Sachen Autonomie lösen wiederum sowohl der Typ Fun als auch der Typ Balanced aus. Der Typ Solid Closed erzielte in keiner der untersuchten Dimensionen nennenswerte Effekte.
Spannend war für Radermacher das gute Abschneiden des Typs Balanced. Er hatte alles in allem die Nase klar vorn und das sowohl bei den Studierenden als auch bei den Versuchsteilnehmern, die bereits seit einiger Zeit im Berufsleben standen.
Die wichtigsten Erkenntnisse im Überblick
- Corporate Architecture kann Arbeitgebereigenschaften glaubwürdig signalisieren.
- Der Typ Balanced hat den größten Einfluss auf die Wahrnehmung von Arbeitgeberattraktivität, gefolgt von den Typen Fun und Solid Closed.
- Vor allem die Aspekte Work Environment Fit sowie Innovation & Flexibilität werden für die Bewertung der Arbeitgeberattraktivität herangezogen.
Die Studienergebnisse belegen, dass Architektur von Bewerbern als Signal für Arbeitgebereigenschaften wahrgenommen wird. Die daraus resultierenden Potenziale für das Employer Branding werden nach Einschätzung von Dr. Radermacher aber immer noch zu wenig genutzt. Daher appelliert sie an die HR-Abteilungen, Architektur verstärkt in der Kommunikation einzusetzen und das Arbeitgeberimage mit Architekturmerkmalen zu hinterlegen.