Der Wahrnehmungspsychologe und Farbexperte Prof. Dr. Axel Buether tritt am 23. Oktober 2024 beim Work Culture Festival auf. Gemeinsam mit Trendexpertin Birgit Gebhardt erörtert er das Thema Raumwahrnehmung und die Frage, inwiefern das physische Büro hier noch aufholen muss. Außerdem wird er über das Thema Farb- und Lichtgestaltung sprechen und zeigen, welchen Einfluss sie auf Wohlbefinden, Gesundheit und Arbeitsmotivation haben. Der IBA Forum Redaktion stand er vorab für ein Interview zur Verfügung.
Herr Buether, was versteht man unter evidenzbasierter Farbpsychologie?
Bisher wurde die Farbgestaltung oft nach persönlichem Geschmack entschieden, sei es von Bauherren, Büroinhabern oder Planern. Die evidenzbasierte Farbpsychologie hingegen stützt sich auf die biologische Wirkung von Farben. Farben spielen eine wesentliche Rolle bei der Orientierung, Tarnung und Warnung. Sie beeinflussen, wie wir unsere Umgebung wahrnehmen, und fördern soziale Beziehungen durch die Attraktivität, die sie schaffen. In der Vergangenheit, besonders in Deutschland, dominierten in Arbeitsräumen oft sachliche und nüchterne Farben, Heute erkennen wir aber, dass eine angenehme Farbgestaltung das Wohlbefinden, die Motivation und sogar die Gesundheit am Arbeitsplatz positiv beeinflussen kann. Untersuchungen haben gezeigt, dass farblich gut gestaltete Arbeitsräume Stress reduzieren und Krankenstände senken können. Wenn man sich für eine Farbe entscheidet, muss man wissen, dass Farben immer wirken, ob bewusst ausgewählt oder nicht. Also wenn Farben besonders sachlich, nüchtern und monoton sind, dann wirkt es dementsprechend auch so, als ob die Arbeit schwer ist, keine Freude macht und man sie so schnell wie möglich hinter sich bringen und den Raum verlassen möchte. Daher ist es wichtig, die richtige Farbgebung zu wählen, um ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das inspirierend und gesundheitsfördernd ist.
Welche Erkenntnisse aus Ihrer Forschung zur visuellen Kommunikation sind für moderne Arbeitswelten besonders relevant?
Ein zentraler Aspekt meiner Forschung ist, dass Arbeitsräume differenziert gestaltet werden müssen. Es ist nicht sinnvoll, wenige Farben festzulegen und diese für alle Büros eines großen Komplexes zu verwenden. Dieses standardisierte Vorgehen führt dazu, dass der menschliche Maßstab verloren geht und anonyme Arbeitswelten entstehen, in denen sich die Menschen wenig wertgeschätzt fühlen. In unseren Studien haben wir festgestellt, dass eine individuellere Farbgestaltung, die auf die Bedürfnisse von Personengruppen oder Abteilungen abgestimmt ist, deutlich effektiver sein kann. Wenn Menschen unterschiedliche Tätigkeiten ausüben, sollten ihre Arbeitsumgebungen auch entsprechend variieren. Es geht nicht darum, jedem Raum eine andere Farbe zu geben, sondern darum, Bürowelten inhaltlich zu clustern und den Farben eine klare Funktion zuzuweisen. Farbe sollte nicht nur als ästhetisches Element betrachtet werden, sondern muss eine inhaltliche Funktion erfüllen, die die spezifischen Bedürfnisse der Nutzer unterstützt. Bei der Entwicklung evidenzbasierter Farbkonzepte analysieren wir daher zuerst die Tätigkeiten und Anforderungen der Nutzer und entwickeln daraus ein passendes Farbkonzept. Hierbei gilt der Mieß’sche Grundsatz: So viel Farbe wie nötig und so wenig wie möglich. Das heißt: Weniger ist mehr.
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Wie integrieren Sie die verschiedenen Disziplinen wie Architektur, Kunst und Design in Ihre Forschung zur Farbpsychologie?
Als Farbpsychologe fungiere ich als Brücke zwischen Planern, Bauherren und Nutzern, mit einem klaren Fokus auf die Wahrnehmung. Die Wahrnehmungs- und Farbpsychologie bietet eine psychologische Perspektive darauf, was Menschen in Räumen erleben und wie sie sich verhalten sollen. Architektur, Kunst und Design spielen dabei eine zentrale Rolle, indem sie den Rahmen für diese Erfahrungen schaffen. Architektur liefert die physische Struktur, die es ermöglicht, Räume funktional und zugleich inspirierend zu gestalten. Kunst bringt eine ästhetische Ebene ein, die Emotionen weckt und eine bestimmte Atmosphäre erzeugt. Design schließlich sorgt dafür, dass diese Elemente sinnvoll miteinander verbunden werden, um eine kohärente und ansprechende Umgebung zu schaffen. Ein wichtiger Aspekt meiner Arbeit ist die Integration dieser Disziplinen. Farben können Orientierung bieten, die Corporate Identity eines Unternehmens visuell unterstützen und ein Gefühl von Zugehörigkeit und Motivation fördern. Es ist entscheidend, dass die äußere Kommunikation eines Unternehmens durch die innere Gestaltung unterstützt wird. Wenn ein Unternehmen nach außen eine starke Identität vermittelt, diese jedoch nicht im Innen widerspiegelt, wirkt es unauthentisch. Fortschrittliche Unternehmen wie Google oder Apple verstehen dies und schaffen Arbeitsumgebungen, die ihre Philosophie widerspiegeln. Dieser Ansatz ist nicht nur für Technologieunternehmen relevant, sondern auch für andere Branchen. Die atmosphärische und farbliche Gestaltung eines Raums kann entscheidend dafür sein, ob ein Unternehmen positiv wahrgenommen wird – sowohl von den Mitarbeitern als auch von potenziellen Bewerbern –, hinterlässt man in den meisten Fällen doch den ersten Eindruck durch die Gestaltung des Raums.
Welche Farben und Lichtverhältnisse fördern Ihrer Meinung nach am besten das Wohlbefinden und die Produktivität in Büroumgebungen?
Diverse Studien zeigen, dass Aufenthalte in der Natur entspannend wirken und das Wohlbefinden fördern. Dieses Prinzip lässt sich auch auf Innenräume übertragen. Büros müssen zwar keine Wellnesshotels sein, können aber durch gezielte Gestaltung Erholungselemente bieten. Ein zentraler Punkt ist der Wechsel der Atmosphäre zwischen verschiedenen Raumtypen. Räume, in denen konzentriert gearbeitet wird, sollten sich atmosphärisch von Kreativräumen und Erholungsbereichen unterscheiden. Diese Differenzierung verhindert Monotonie und sorgt dafür, dass das Büro als natürlicher Lebensbestandteil wahrgenommen wird, in dem man sich auch wohlfühlen kann. Besonders nach den Erfahrungen im Homeoffice ist den Menschen bewusst geworden, wie wichtig eine klare Trennung zwischen Arbeits- und Erholungsbereichen ist. Farben und Licht können dabei helfen, diese Trennung zu unterstützen und den Mitarbeitern zu ermöglichen, wirklich abzuschalten. Dafür lassen sich gute Farben finden, die immer funktionieren und dann tatsächlich durch Stimmungswechsel an den verschiedenen Orten eines Büroorganismus dafür sorgen, dass es abwechslungsreicher und auf der anderen Seite auch funktionaler im Büro zugeht.
Welche Trends sehen Sie in der Entwicklung von Arbeitsräumen, um den Anforderungen der modernen Arbeitskultur gerecht zu werden?
Ein Megatrend ist die Integration von Natur in Form von Pflanzen, wodurch Büros immer mehr zu grünen Oasen werden. Allerdings entfalten Pflanzen ihre positive Wirkung nur in einer stimmigen Gesamtkonzeption des Raums. Es ist wichtig, dass die Farben und Materialien, die in Arbeitsräumen verwendet werden, im Einklang mit den natürlichen Elementen stehen. Reine Weißtöne oder Lichtfarben wie Gelb oder Hellblau können in Kombination mit Pflanzen zu einem visuellen Widerspruch führen, der das Gefühl von Behaglichkeit mindert. Stattdessen sollten Farbtöne gewählt werden, die die natürliche Umgebung unterstützen und eine harmonische Atmosphäre schaffen. Es muss eine in sich stimmige Atmosphäre und Umgebung geschaffen werden, in der das Visuelle am besten auch noch mit den anderen sinnlichen Wahrnehmungen korreliert: Es darf nicht unangenehm riechen, es dürfen weder Halleffekte noch andere unangenehme Geräusche zu hören sein. Neben der Raumakustik ist auch das Licht ein wichtiger Punkt. Es gilt, die Bedürfnisse der Nutzer in konkrete Atmosphäre zu übersetzen, was recht komplex ist, da es oft auf Nuancen ankommt.
Herr Buether, vielen Dank für das Gespräch.