Spätestens während der Corona-Pandemie wurde den meisten Führungskräften und ihren Mitarbeitern bewusst, wie viel Flexibilität die ortsunabhängige Kommunikation auf Basis digitaler Plattformen bietet. Je länger die Abwesenheit vom Büro als dem gemeinsamen Arbeitsort dauerte, desto klarer wurde allerdings auch, wie wichtig eine gemeinsame physische Präsenz ist. Im „New Work Order“-Spezial Die Macht der Räume widmet sich die Hamburger Trendexpertin Birgit Gebhardt daher dem Raum und seinen Möglichkeiten. Nachfolgend finden Sie eine kleine Auswahl der darin behandelten Themen.
Abschied vom Standard
Die Frage nach der besten Arbeitsumgebung wird zunehmend individuell beantwortet. Mitarbeiter entscheiden in vielen Unternehmen selbst, wann und wo sie arbeiten. Das gilt für den Arbeitsort – Homeoffice, Büro oder dritter Ort – und vermehrt auch für die Wahl der Arbeitsplätze im Büro. Birgit Gebhardt erwartet, dass sich Beschäftigte bei der Wahl der Arbeitsorte künftig von smarter Technik unterstützen lassen können. Nicht nur, dass Buchungstools helfen, freie Kapazitäten zu erkennen und zu reservieren, sie können auch Auskunft über die bisherige Arbeitsleistung und Gesundheitsdaten beim Aufenthalt in bestimmten Räumen geben.
Das Büro als Erfahrungsraum: Der Mehrwert des Büros liegt in seinem vielfältigen Raumangebot, das uns sensorisch wie medientechnisch neu anregt und verbindet. Seine Kennzeichen: weniger Standards, smarter ausgerüstet, mutiger im Erscheinungsbild und kommunikativer.

WIRD DAS BÜRO ZUR BÜHNE?
Die Frage erscheint vielleicht etwas seltsam, aber nur auf den ersten Blick. Birgit Gebhardt verweist in ihrer Studie auf die Townhall-Meetings, in denen CEOs über Ziele sprechen und sich den Fragen der Belegschaft stellen. Der Raum wird dann zur Bühne, der je nach Ausstattung entweder Nähe schaffen oder bewusst Distanz und Faszination verstärken kann.
In der hybriden Arbeitswelt brauchen nicht nur Führungskräfte eine Bühne. Auch die Zusammenarbeit im Team profitiert von Inszenierung: Sie kann Teamprozesse stärken und sich damit positiv auf Kreativität und Arbeitsergebnisse auswirken. Wie eine Bühne sorgt die Anwesenheit im Büro für Sichtbarkeit; neue Räume bieten Platz für gemeinsames Experimentieren.

Kultur stärken
Das Büro als Theater- oder Kulturlandschaft zu denken hat noch einen weiteren Vorteil. Denn aus physischer Distanz im Rahmen von Hybrid oder Remote Work kann schnell auch eine persönliche Distanz werden. Um das zu verhindern, braucht es gemeinsame Werte und Erlebnisse. Das Büro ist hier gegenüber dem virtuellen Raum grundsätzlich im Vorteil, weil es mehr Sinne ansprechen und Unternehmens- wie Arbeitskultur erlebbar machen kann:
Identität
Unternehmens- und Teambindung entstehen nicht am Reißbrett. Das Beispiel der Google-Büros zeigt, wie lokale Bezugspunkte im Raumdesign die Bindung an ein internationales Unternehmen stärken können.
Zusammenarbeit
Eine gut funktionierende Bürolandschaft kann die Zusammenarbeit effizienter machen. In attraktiven Kommunikations- und Verweilzonen können sich Menschen begegnen.
Wohlgefühl
Das Multispace-Büro bietet Räume für die unterschiedlichen Bedürfnisse der Menschen nach Konzentration, kreativer Nähe oder Rückzug und Erholung. Der Einsatz von Pflanzen, Tageslicht und Dekorationsgegenständen erweist sich dabei als leistungssteigernd.
Sinnhaftigkeit
Sie fordert zunächst, sich über den eigenen sowie gemeinsamen Beitrag zum großen Ganzen im Klaren zu sein, und schafft damit eine Bühne für die Präsentation der großen Ziele und des eigenen Beitrags.
Beispiele
Auch bei der Förderung der Zusammenarbeit müssen Unternehmen den Weg finden, der am besten zu ihnen passt. Die „New Work Order“-Studie Die Macht des Raums nennt Beispiele.
Otto Group
„Wie wollt ihr arbeiten?“, fragte der deutsche Onlinehändler OTTO seine Mitarbeiter. Als Reaktion auf die Antworten wurden die Bereiche für konzentrierte Einzelarbeit, die bei der Otto Group als Hinweis auf ihre Gestaltungsvorbilder Bibliotheken genannt werden, reduziert. Stattdessen werden künftig flexible Projektgaragen eingerichtet, die es sowohl in vertraulicher als auch in offener Form geben soll.
Spotify
Beim Streamingdienst Spotify ist das Büro ein Ort für Geselligkeit, Onboarding und kritische Problemlösungen. Dafür können sich die Teams Räume mit Arbeitstischen für maximal acht Personen plus Kreativ-Lounge und Rückzugsbereich mieten.
Swisscom Immobilien
Bei Swisscom Immobilien setzt man darauf, genau zu beobachten, was die späteren Nutzer benötigen. Einheitliche Regeln wurden in vielen Gebieten abgeschafft. Jeder Mitarbeiter entscheidet selbst, ob er seinen Schreibtisch mit anderen teilen will oder nicht. Die Bedeutung des Büros liegt primär darin, gemeinsam herauszufinden, was das Unternehmen weiterbringt.
Adobe
Das Software-Unternehmen Adobe setzt bei seinen Arbeitsplätzen auf Wohlfühlen als ganzheitliche Idee. Diese reicht von ergonomischen Arbeitsplätzen bis zur Ernährungsberatung. Eingangsbereiche werden als Lobbys gestaltet und der Standort San José experimentiert mit einer bewussten Gestaltung der Übergänge zwischen den Raumzonen, um das Erleben der unterschiedlichen Atmosphären zu verstärken.
Ein Blick in die Zukunft
In den abschließenden Kapiteln wagt Birgit Gebhardt einen Blick in die Zukunft des Büros als Teil von Städten oder ländlichen Räumen.
Die Studie können Sie unter IBA-Publikationen kostenfrei als Printexemplar bestellen oder als PDF herunterladen.
